Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
schütteln. »Rehe sind nun mal Schädlinge, diese elenden Knospenbeißer richten einen gewaltigen wirtschaftlichen Schaden an! Wir müssen den Verbiss eindämmen, so einfach ist das!«
Reginas blaue Augen blitzten, und ihre Finger trommelten auf dem Tisch. »Sie lehnen sich mit Ihren Wildererargumenten aus den Zeiten von Jennerwein und vom bayrischen Hiasl aber ganz schön aus dem Fenster! Auch die Wilderer damals haben darauf verwiesen, dass sie den Wald gegen Verbiss schützen, und Sie glauben sich in bester Tradition, wenn Sie allen Ernstes beabsichtigen, in rund fünfzig Jagdrevieren in ganz Bayern die Schonzeit für weibliches Rehwild und Kitze komplett aufzuheben!«
»Frau von Braun, Sie wollen mich aber nicht mit Wilderern gleichstellen, oder? Was ich mache, ist streng legal. Es gibt hier Landratsämter, es gibt Abschusspläne, die im Plenum ersonnen werden. Wenn der Verbiss so zunimmt, dann müssen wir reagieren.«
Dieser Brennerstein wirkte aalglatt auf Irmi. Mit seiner süffisanten Art blieb er ganz ruhig. Regina hingegen geriet immer mehr aus der Fassung. Das hier war der verbale Kampf des Landadels.
»Ach, kommen Sie, wenn das Wild keine Äsungsflächen hat, was soll es denn sonst fressen? Extremer Jagddruck verstärkt das Problem doch nur. Das Wild hat Stress, es hat dadurch einen höheren Energieverbrauch. Das ist wie bei den Menschen. Wir haben bei Stress auch Appetit auf Schokolade …«
»Ich esse nie Schokolade«, sagte er und grinste süffisant. »Schlecht für die Zähne und die Figur.«
Du Arsch, dachte Irmi.
»Nun, hier geht es ja nicht um Schokolade …«, schaltete sich der Moderator ein.
Veit Bartholomä drückte den Pausenknopf. »Das geht noch eine ganze Weile so weiter, ich wollte Ihnen ja nur mal zeigen, was von Brennerstein für einer ist.«
»Vielen Dank, Herr Bartholomä!«, sagte Irmi. »Ich schau mir das Ganze später noch mal in Ruhe an.«
Veit Bartholomä spielte die Gesichter der beiden Kontrahenten im Schnelldurchlauf vor und schaltete erst ganz am Ende des Beitrags wieder auf Normalgeschwindigkeit um.
»Sie sind ja ein Mörder! Die Schonzeit abschaffen! Sie wissen, was das heißt. Die Eiruhe der Rehgeißen ist vorüber, das heißt, die Entwicklung der Embryonen geht viel schneller voran. Im Januar tragen sie bereits handtellergroße Föten in sich und brauchen für deren Entwicklung die letzte Kraft. Will Bayern wirklich auf schwangere Rehe schießen? Schonzeitregelungen sind vorrangig zum Tierschutz erlassen worden und können nicht beliebig irgendwelchen waldbaulichen Überlegungen untergeordnet werden!«
Der Moderator nickte jovial in die Kamera. »Liebe Zuschauer, Sie sehen, ein wirklich komplexes Thema. Mehr Informationen dazu erhalten Sie auch bei uns im Internet. Ein herzliches Vergelt’s Gott fürs Zuschauen. Und nun viel Freude mit unserem Fernsehkoch Siggi Schrammelhuber.« Und schon lief der Abspann durch. Bayerische Motive wie die Zugspitze, die Heuwinkelkapelle bei Iffeldorf, ein Riesenrad über München, Bierdimpfl beim Gäubodenfest in Straubing, die Altstadt von Wasserburg, Burghausen, ein kleines Madl im Dirndl. Mir san mir, dachte Irmi unangenehm berührt.
Bartholomä drückte auf die Fernbedienung. Der Bildschirm wurde dunkel oder besser nachtblau. Irmi sagte nichts. Auch Bartholomä saß schweigend da, die Fernbedienung auf den Knien.
»Herr Bartholomä, ich bin gerade etwas überfordert«, sagte Irmi nach einer Weile. Vielleicht hätte sie das als Polizistin nicht zugeben sollen, vielleicht war das unklug. Kathi hätte sie sicher gerügt.
»Stimmt, diese ganze Diskussion erschlägt einen etwas«, meinte Bartholomä.
»Sie sagen es. Wie waren denn die Reaktionen darauf? Regina hatte doch eindeutig die besseren Argumente, zumindest soweit ich das hier sehen kann.«
Bartholomä lachte bitter. »Das schon, wildbiologisch ist das alles völlig korrekt, aber wir leben in Bayern, wo Frauen nicht unbedingt gar zu schlau daherkommen sollten.«
Mädchen sein, da war es wieder, das alte Thema! »Denken Sie das auch?«, wollte Irmi wissen.
»Sie hat damit nicht nur Sympathiewerte gewonnen«, sagte Bartholomä.
»Na, zum Glück haben ja nicht so viele Leute Zeit, nachmittags fernzusehen.«
»Täuschen Sie sich da nicht! Es kamen Briefe, es kamen Mails, es kamen Anrufe zuhauf.«
»Mit welchem Grundtenor?«
»Tierschützer und viele kleine Privatjäger haben Regina gratuliert. Sie sind Heger, die die stabilen Tiere leben lassen wollen und nur
Weitere Kostenlose Bücher