Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
Sie sah Soferl vor sich, das auf den schmalen Ski so elegant ausgesehen hatte. Die Waffe stammte von Soferls Gruppe!
Irmi ging zu Andrea hinüber. »Kannst du bitte checken, welche Mannschaften in Bichlbach Biathlon trainieren? Wer Zugang zu den Waffen hat. Wer ist Trainer? Und gibt es eine Verbindung zu Regina von Braun? Oder anders gefragt: Wer hat eine Verbindung zu Regina von Braun?«
Andrea dachte nach. »Ist das, ich meine, ist das nicht von der Kathi ihrem Soferl, also, ähm …«
»So ist es«, schnitt Irmi ihr das Wort ab und hatte noch Sailers Satz im Ohr: Die Magdalena Neuner wird’s scho ned gewesen sein.
»Tatsache ist, dass wir die Waffe haben und nun wissen müssen, wer Zugang dazu hatte«, sagte Irmi.
»Ich war grad dran, jemand zu finden, der wo dieses Altdeutsch lesen kann.«
»Ja, Andrea, aber das hier ist jetzt wichtiger.«
Irmi rauschte hinaus und ließ eine Andrea zurück, die ganz unglücklich aussah. Sie selbst war auch unglücklich, mehr als das. Verdammt und zugenäht! Irmi hoffte, dass Kathi noch eine Weile weg sein würde, hoffte auf ein volles Wartezimmer. Aber was sollte sie tun? Es gab nur einen Weg. Sie musste nach Lähn.
Irmi wünschte sich Staus oder einen kleinen Lawinenabgang, aber der Tag präsentierte sich sonnig, und auch der Wind hatte ein wenig nachgelassen. Kein Baum würde umstürzen, nichts würde ihre Fahrt vereiteln. Lediglich die kleine rote Außerfernbahn stoppte Irmi für eine Weile, als die Schranke sich schloss, um das Bähnchen durchzulassen. Als Irmi vor Kathis Haus anhielt, blieb noch eine Hoffnung: Keiner würde da sein. Aber Elli und das Soferl waren gerade dabei, rechts von der Eingangstür Holzscheite zu stapeln. Dem Soferl war anzusehen, was sie von dieser Arbeit hielt. »Du hast deinen kleinen Hintern doch auch gerne warm«, hörte Irmi Elli sagen. Irmi lächelte, es gelang ihr aber nur ein wehmütiges Lächeln. Es half ja alles nichts: Da musste sie jetzt durch.
»Kommt, ich helf euch schnell«, sagte Irmi und hatte so doch noch eine Verzögerung erreicht. Der tobende Gedankensturm in ihrem Kopf aber war damit auch nicht anzuhalten.
Gesetzt den Fall, Regina von Braun hatte ein Buch schreiben wollen, gesetzt den Fall, sie hatte dazu Elli angesprochen und in alten Wunden gestochert, wäre das Grund gewesen, so ein Buch um jeden Preis zu verhindern? Lag sie mit ihrer Wilderergeschichte komplett falsch? Hatte das Ganze mit von Brennerstein gar nichts zu tun? War sie auf dem Holzweg?
»So, fertig!«, rief Sophia. »Ich geh jetzt hoch.«
»Bleibst du bitte in der Nähe? Ich müsst dich nachher mal was fragen«, sagte Irmi.
»Klar, muss bloß mal schnell mit Tini chatten.«
Sophia sprang leichtfüßig davon. Bei ihr hatte man das Gefühl, dass Jungsein wirklich etwas Herrliches war. Bei den meisten anderen Teenies hatte Irmi den Eindruck, dass sie schwer unter der Welt und sich selbst litten.
»Das Mädchen wird mir mehr und mehr ein Rätsel«, meinte Elli. »Einerseits macht sie Sport mit einem so zielstrebigen Ehrgeiz, andererseits lungert sie zu Hause nur noch am Laptop rum und chattet. Tini wohnt ein paar Straßen weiter, aber man redet über Facebook einfach besser.«
»Wir sind zu alt. Anders sozialisiert. Um das Soferl mach ich mir da weniger Sorgen, die kann ja durchaus auch real mit einem sprechen und schaut einem dabei sogar in die Augen, was fast schon an ein Wunder grenzt. Aber ich mache mir um viele andere Kinder Sorgen. Sie sitzen eingeigelt in ihren Zimmern und glauben jede Menge Freunde zu haben. Was heißt es schon, auf Facebook ›befreundet‹ zu sein!«
»Ich bin in jedem Fall zu alt«, sagte Elli, lächelte und dehnte ihren Rücken. Dann sah sie Irmi ernst an. »Du bist aber nicht zum Holzaufschichten gekommen, oder?«
»Nein. Gehen wir rein?«
Irmi folgte ihr in die Wohnküche. Elli stellte Hollersirup und Mineralwasser auf den Tisch. Sie wartete. Drehte an ihren Fingern.
»Ich muss das jetzt leider fragen. Wo warst du Sonntag am späten Abend?«
In Ellis Blick lag Unverständnis. »Ich war hier. Habe ferngesehen. Falls du wissen willst, was kam – keine Ahnung. Ich bin eben alt und vergesslich.« Ihr Ton war etwas unwirscher geworden.
»Wo waren Kathi und das Soferl?« Irmi wusste, dass das eine dumme Frage war. Kathi und Sophia lebten im ersten Stock des Hauses. Und wenn die Oma unten ferngesehen hatte, dann hätte niemand bemerkt, wenn sie kurz weggefahren wäre und den Fernseher angelassen hätte.
»Oben«, sagte
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