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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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die Nase. »Kennst den?«
    Er nahm das Bild und betrachtete es. Lange.
    »Ja? Nein? Vielleicht? Enthaltung? Ich nehm prinzipiell nicht an Umfragen teil.«
    Der Mann starrte sie entgeistert an.
    »Aber Augen hast doch? Gute, nehm ich an. Braucht man ja zum Schießen. Kennst den?«
    Er nickte.
    »Zefix! Ja, du hast gute Augen? Oder ja, ich kenn den? Du redest doch sonst so gern.«
    »Ja, des is der Wallner Tommy aus Bichlbach.«
    »Das ist mir auch bekannt. Woher kennst du den?«
    »Mei.«
    »Kein ›mei‹! Ich hab es satt, immer die Antwort ›ja mei‹ zu kriegen. Ich will ganze Sätze. Los!«
    »Der Tommy hot a paar Freindl aus dem Tannheimer Tal. Und die wuidern auf a ganz unguade Art.«
    »Weiter!«
    »I hob eam und zwo andere erwischt, wie sie zwoa Gamsen ned richtig troffen ham. I hob de Gamsen später g’funden. De Projektile warn no in der Lunge, und da leidet so an Viech ganz erbärmlich. Lungenschüss führen dazu, dass letztlich die Lunge kollabiert, dass ein Ödem entsteht und das Tier am End jämmerlich ersticken muass. Koa scheener Tod. So was tu i ned! I hob a Ehr im Leib!«
    Irmi sah den Waldschrat fest an. »Du willst mir also sagen, dass dieser Tommy wildert? Zusammen mit Kumpels aus dem Tannheimer Tal?«
    »Ja.«
    »Und die Regina von Braun wusste das?«
    »Möglich. Des woaß i ned. Aber vielleicht hot sie eam ja aa interviewt. So wie mi?«
    Diese Annahme war nicht abwegig. Irmi erinnerte sich an eine Geschichte im Jagdbuch von Regina, die im Tannheimer Tal gespielt hatte und in der es um eine Gams gegangen war, die von den Skilehrern Rudolf getauft worden war. Rudolf, der alte Haudegen, lebte seit Jahren am Füssener Jöchle, wo ihn auch bisher keiner hatte erlegen können. Irmi kannte das Tal und auch das Füssener Jöchle, wo die behänden Gämsen tatsächlich gut zu erkennen waren. Auf einer Wanderung hatte sie die famose Aussicht bewundert und den ganzen Charme dieses kontrastreichen Tales. Das Tannheimer Tal war ein Wohlfühltal, eins fürs Auge, keine enge Klamm. Aber dahinter zeigte es die Zähne, kühne Felszacken nämlich. Die Tannheimer Berge bestanden aus Wettersteinkalk, verwittert zu bizarren Formen. Das Massiv der Roten Flüh war das beste Beispiel und Fotomotiv: Stürzende Wände im Süden, nach Norden erstreckte sich der Felsturm des Gimpel, nach Westen waren kühne Vorsprünge zu sehen, nur nach Osten gab sich der Berg fast zahm. Genau dort spielte eine der Wilderergeschichten von Regina …
    »Womit hat er geschossen?«
    »Wer?«
    »Der Tommy!«
    »Also, I woaß ja ned, ob der selber schießt. Also, i moan …«
    »Geschenkt! Komm mir jetzt nicht mit irgendeiner Solidarität der Gesetzlosen!«
    »Mei, was so oaner eben hot! Abg’sägte Biathlonwaffen. Manipulierte Biathlong’wehr. Normale Biathlonwaffen. I war nie dabei.« Er sah Irmi entwaffnend an, dann Andrea und versuchte ein schiefes Lächeln.
    »Du bisch aber ned so boanig wie dei Kollegin.«
    Andrea war das peinlich, Irmi schickte ihm einen warnenden Blick.
    »I moan ja bloß.« Er war überraschend kleinlaut. »Wollts heit a Schnapsl?«
    »Danke. Mir ist schon schlecht«, ranzte Irmi ihn an. »Wer sind denn die Typen aus dem Tannheimer Tal?«
    »Kenn i ned.«
    »Wer!«
    »Ich woaß nur, dass oaner aa in der Mannschaft bei die Nusser war. A gewisser Toni. Mehr woaß i ned. Ehrlich!«
    Irmi sah ihn scharf an.
    »Bei meiner Ehr«, schob er hinterher.
    Irmi schnaubte. »Du verhältst dich jetzt mal mucksmäuschenstill. Keine Anrufe bei Tommy oder im Tannheimer Tal, ist das klar?«
    »I hob doch koa Handy!«
    Das glaubte Irmi ihm sogar.
    »Und wenn ich wieder mal eine Frage hab, dann singst du wie ein Zeiserl! Sonst bist du nämlich ganz schnell im Bau in Garmisch drunten.«
    Er nickte. Irmi hob die Hand zum Gruß und ging, Andrea stolperte hinterher.
    »Das war kein Heimatfilm«, meinte Irmi. »Das war Bauerntheater. Und ein sehr schlechtes dazu.«
    »Hätten wir den nicht …«
    »Vorladen sollen? Einsperren? Gefahr im Verzug? Irgendwas sagt mir, dass der ein Einzelschrat ist. Der zieht nicht zusammen mit anderen marodierenden Wildererhorden durch die Berge.«
    Irmi wusste, dass sie sich auf sehr dünnem Eis bewegte. Der Karwendelschrat konnte, wenn er etwas damit zu tun hatte, auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Der kannte jeden Steig hier persönlich, den würden sie niemals mehr ausspüren. Er würde irgendwo zwischen Scharnitz und dem Achensee untertauchen. Er kannte vermutlich alle Hüttenwirte, all diese

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