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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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war das ein schwerer Gang. Ich strich um die Kirche herum, bis mich der Herr Pfarrer entdeckte. Wir Kinder hatten immer Angst vor ihm gehabt, und mir war auch heute so bange. »Bist zurück, gut, Johanna. Hast Kontakt zu den Evangelischen gehabt?«, fragte er. Ich sagte nichts, meine Kehle war so zugeschnürt. Ich folgte ihm, als würde er mich an einem Kälberstrick ziehen, bis in den Beichtstuhl.
    Ich weiß nicht, was mich da ritt, aber ich beichtete, dass ich mehrmals draußen aus der Speisekammer Essen genommen hätte. Vom Pfarrer bekam ich viele Vaterunser und Rosenkränze aufgetragen. Ich zitterte am ganzen Leib, als ich heimging. Meine Knie versagten ihren Dienst. Als die Mutter fragte, ob ich gebeichtet hätte, nickte ich nur. Lügen ist eine Todsünde, der Himmelvater wird mich strafen.
    Irmi hatte grottenschlecht geschlafen. Sie traf erst um halb neun im Büro ein, was selten vorkam. Es war so, als drücke sie sich vor einer anstehenden Schularbeit.
    Andrea sah frisch aus, das war das Geschenk der Jugend, das man erst zu schätzen wusste, wenn man es nicht mehr hatte. Wie so vieles erst durch Abwesenheit an Wert gewann. Sailer sah gesund aus wie immer. Bei ihm war es die Mentalität, die ihn gesund hielt. Sich wenig Sorgen machen, klare Strukturen im Leben haben – das half der Psyche.
    »Der Herr Bartholomä hat angerufen. Bei eana is a Rentier gwuidert worden. Es liegt aber scho länger, moant er.« Sailer klang verblüfft. Das Wort Rentier zog er in die Länge wie einen Käsefaden aus dem Fondue.
    »Nein!«, rief Irmi. In diesem Nein lag die Verzweiflung all dieser letzten Tage. Vor wenigen Tagen hatte Franz Kugler ihnen von einem toten Rotwild erzählt. Heute war es ein Rentier. Der Wilderer war also immer noch aktiv. Die Mordwaffe hatten sie zwar, aber Irmi war sich sicher, dass das Rentier mit demselben Kaliber erlegt worden war, abgefeuert natürlich aus einer anderen Waffe. Worin hatte sie sich da mit Elli verrannt? Insgeheim gab sie Kathi recht: Sie war doch nicht ganz klar im Kopf. Sollte sie sich den Karwendelschrat noch mal genauer vornehmen? Irgendeiner wilderte, und zwar im Revier der von Brauns. Und so einem war Regina offenbar in die Quere gekommen.
    »Gibt es eine Verbindung zwischen diesem boarischen Zweithiasl und dem tollen Tommy?«, fragte Irmi nach einer Weile.
    Sailer schaute etwas sparsam, Andrea sah man denken.
    »Und wenn es die gäbe, könnte der Karwendler ja wissen, dass der Tommy nie absperrt, und sich ein Gewehr ausgeborgt haben«, sagte Andrea und blickte Irmi fast entschuldigend an.
    Wenn Andrea nur etwas mehr Selbstbewusstsein hätte, wenn sie nicht wie ein Krebs immer zwei Schritte vorwärts und einen zurück machen würde, hätte das Mädchen so viel Potenzial. Irmi hoffte, dass Andrea wachsen und ihre bedächtige Bescheidenheit einmal zu ihrer schärfsten Waffe machen würde.
    »Sailer, rufen Sie auf dem Waldgut an, und sagen Sie denen, dass sie nichts anrühren sollen, wir kommen gleich vorbei. Schicken Sie den Hasen los. Andrea und ich machen nur einen kurzen Abstecher nach Mittenwald.«
    »Soll ich das auch sagen, das mit Mittenwald?«
    »Nein, Sailer, das war eine Information für Sie«, sagte Irmi mit bebender Stimme und dachte: O Herr, lass Hirn regnen!
    Sie kamen zügig voran, keine landschaftsverliebten Touristen waren auf den Straßen unterwegs, immer noch keine Landwirte im Mäheinsatz und keine österreichischen Holzlaster, die fuhren, als wären sie Lamborghinis, und keine Vierzigtonner mit Anhänger. Andrea, die die Behausung vom Hiasl Zwo zum ersten Mal sah, war sichtlich beeindruckt.
    »Wie im Heimatfilm!«
    »Nur schlimmer. Und gleich biegt der Trenker Luis ums Eck und wedelt mit einem Edelweiß. Und ein Adler fliegt vorbei, und eine Feder sinkt hernieder, und die Maid lächelt und weiß, dass dies ein Zeichen ist.«
    Irmi hätte leicht noch weiter an ihrem Plot stricken können, aber Andreas Blick stoppte sie.
    »Na, du hast a Phantasie!«, kam es von seitwärts. Der Wilderer trug akkurat das gleiche Outfit wie beim letzten Mal. Er müffelte nur etwas stärker.
    Andrea hatte auf der Website des Skiklubs die Vita und ein Foto von Tommy entdeckt und ausgedruckt. Thomas Wallner, geboren in Reutte, acht Jahre Nationalkader, mehrere Plätze unter den ersten zehn. Nie am Stockerl. Irmi registrierte, dass der tolle Tommy auch Wallner hieß, wie der Frauenarzt, vergaß das aber für den Moment. Nun zählte erst mal der Waldschrat. Irmi hielt ihm das Foto unter

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