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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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menschenverachtende Profilneurotiker. Sie hätte viel sagen können und lächelte Andrea doch nur voller Wärme an.
    Die Staatsanwaltschaft war kooperativ, der Haftbefehl gegen Thomas Wallner lag bereits am Abend vor, nur leider war der tolle Tommy offenbar abgehauen. Er war weder in seiner Wohnung noch auf der Anlage. Eine Nachbarin hatte ihn wegfahren sehen, mit »Sporttascherl« im Gepäck. Gut, das führte er ja wohl fast immer mit sich. Die Fahndung war raus, auch in Österreich, und Irmi war nahe dran, sich in den Allerwertesten zu beißen. Das war wieder kein Ruhmesblatt gewesen. Sie hätte ihn sofort festnehmen müssen. Sie war eine schlechte Polizistin. Zu weich, zu lasch, zu emotional, zu alt?
    Irmi saß in der Küche. Bernhard war bei der Feuerwehr, Lissi war mit den Landfrauen unterwegs. Es war grabesstill, und als der Kühlschrank zu summen begann, kam er ihr vor wie ein Düsenjet. Irmi nahm sich ein Bier mit in den Stall und hörte den Kühen beim Fressen zu.
    Eine ganze Weile – bis ihr Handy läutete. Er war dran und spürte sofort ihre gedrückte Stimmung.
    »Du klingst ein bisschen …«
    »Ich klinge ein bisschen alt, du hörst die Stimme einer Frau, die allmählich in Rente gehen sollte.«
    Er lachte. »Das hättest du wohl gern. In diesem Lande werden wir arbeiten, bis wir tot über unseren Maschinen und Schreibtischen zusammenfallen und weder Kranken- noch Rentenkasse belasten. Meine liebe Liebste, du bist meilenweit und Jahrzehnte von deiner Rente entfernt!«
    Sie musste lächeln, eine Kuh muhte.
    »Wo bist du denn?«
    »Im Stall.«
    »Ist ein Tier krank?«, fragte er besorgt.
    Für solche Sätze liebte sie ihn. Das war jenes Vermögen, Zwischentöne zu erspüren und achtsam zu sein. Ihre Antwort war weniger sensibel.
    »Das einzig kranke Viech hier bin ich!«
    »Glaub ich nicht.«
    »Doch.«
    Es war sekundenlang still, bis Irmi eben doch zu erzählen begann, vor allem darüber, dass sie einen Verdächtigen hätte festnehmen müssen, der nun auf der Flucht war. »Ich handle die letzten Tage viel zu emotional, ich bräuchte mehr klares Kalkül.«
    »Du hast kein Alleinrecht auf Ärger im Job«, sagte er sanft. »Und wärst du fehlerfrei, fände ich dich uninteressant. Außerdem würde mir das Angst machen, weil ich selbst so fehlerbehaftet bin.«
    »Glaub ich nicht.«
    »Was? Dass du kein Alleinrecht hast? Dass ich Fehler habe? Glaub mir, ich bin auch kein weiser alter Eulerich!«
    Irmi lachte, ein bisschen verschnieft, weil sich ein paar Tränchen ihren Weg gebahnt hatten. »Einen Eulerich, der später zur Eule wurde, hab ich auch getroffen.« Und sie erzählte von Theo.
    »Siehst du, die Natur ist wunderlich. Irmi, du erlebst so viel, dein Leben ist reich. Und du bist reich, weil du über Einfühlungsvermögen verfügst. Klares Kalkül, das ist doch was für Buchhalter! Die brauchen ja auch keine Emotionen.«
    Irmi schniefte immer noch. »Ach, weißt du? Ich wäre gerne etwas buchhalterischer. Sag mal, woher kommt eigentlich die Redewendung ›Eulen nach Athen tragen‹? So was weiß der Eulerich doch sicher.«
    »Die attischen Silbermünzen zierte das Bildnis einer Eule. Drum nannte man die Münzen im Volksmund auch Glaukes, also Eulen. Nun war Athen eine extrem reiche Stadt, und es wäre Irrsinn gewesen, noch mehr Geld, also Eulen, nach Athen zu tragen.«
    »Sonst noch was Lehrreiches von deiner Seite, was meinen Abend im Kuhstall etwas kultureller machen würde?« Irmi konnte wieder lachen.
    »Die Eule war der Symbolvogel der Minerva, sie gilt generell als Tier der Weisheit und Philosophie. Außerdem sieht das Tier ja auch selbst so nachdenklich aus: mit gedrungenem Körper, dem großen Kopf mit den Ohrbüscheln, dem kurzhakigen Schnabel und den auffallend großen Augen, die nach vorn gerichtet sind.«
    »So siehst du nicht aus«, meinte Irmi. »Auch nicht kurzhakig, also, ich meine …«
    »Ich lass das mal besser unkommentiert. Was ich dir aber eigentlich sagen wollte: Ich bin auf dem Weg nach Schwaz im Inntal und anschließend nach Rovereto am Gardasee. Würdest du mit mir zu Abend essen? Ich hab ein Stopover-Hotel am Achensee in Pertisau. Magst du da hinkommen?«
    Sie vereinbarten ein Treffen, und Irmi freute sich, auch wenn sie jedes Mal wieder mit ihm warmwerden musste. Er kannte das. Sie hatte immer einen Fall. Sie hatte nie Urlaub oder gerade dann natürlich nicht. Es war so schön, sich auszumalen, wie es wäre mit ihm . Sie hatte das auch schon mehrfach erlebt. Die Vorfreude war

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