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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Heute.«
    Irmi lachte. »Ja, carpe diem. Ich hab eh Hunger.« Sie legte auf und fand sich sofort ziemlich unsensibel. Sie hätte doch wenigstens sagen müssen: »Ich freu mich« oder etwas Ähnliches. Außerdem: Wie sah sie eigentlich aus? Sie trug Jeans, ein Shirt, eine Weste. Gut, sie hatte ihr Notfallsakko im Auto, das würde zum Shirt sogar passen.
    Jetzt oder nie – Irmi wusste: Wenn sie erst zu Hause wäre, würde sie bestimmt kneifen. So aber rief sie bei Bernhard an, der natürlich im Stall war. Und so erzählte sie dem Anrufbeantworter: »Hallo, Bruderherz, du musst heute nicht auf mich warten. Magst du bitte den Katern was zu essen geben? Servus!« Das war doch neutral formuliert, außerdem: Wann hätte Bernhard je auf sie gewartet?
    Irmi fuhr nach Wallgau und bog in die Mautstraße ein. Keine Menschenseele war unterwegs, das Häuschen war auch nicht besetzt. In der Vorderriss kam ihr ein Jeep entgegen. Jäger? Wilderer? Ihr Denken war völlig unterwandert von diesem Thema. Am Sylvensteinspeicher stand ein holländischer Pkw, und jemand knipste in die Dunkelheit. Na, das würden sicher tolle Bilder werden. Ein angeblitzter schwarzer See. Aber gut, die Nacht war relativ mondhell.
    Plötzlich fühlte Irmi sich großartig. Es war gut, dem Leben Zäsuren abzuringen. Sie selber tat das viel zu selten. So ein sanfter Zwang von außen wirkte Wunder. Schon bald war sie am Achensee, der mehr an einen Fjord erinnerte. Pertisau lag am Gegenufer und war richtig schön kitschig mit seinem Lichtermeer. Irmi stoppte am Bahnhof der Achenseebahn. Sie machte die Innenbeleuchtung an, verdrehte den Rückspiegel. Trug etwas Puder auf und einen roséfarbenen Labello. Schüttelte die Haare zurecht und klemmte sie mit einer Spange am Hinterkopf fest, zupfte ein paar Strähnen über die Schläfe.
    Als sie am Wiesenhof vorfuhr, war ihr flau im Magen. Sie parkte und stieg aus, tauschte Weste gegen Blazer, packte den Rucksack und ging auf den Eingang zu. Wo er stand.
    Er lächelte. Es gab ein Küsschen auf jede Wange, er drückte sie kurz an sich, sehr kurz. Irmi spürte seine Wärme, seine Präsenz. Er war groß und kräftig, hatte gottlob ein bisschen Bauch und Hüftspeck, was er immer als »meinen Schwimmschwan« bezeichnete. Einen perfekten Mann hätte Irmi nicht ertragen können, solche Männer erinnerten sie viel zu stark an ihre eigenen Unzulänglichkeiten. Bei perfekten Männern musste man beim Sex den Bauch einziehen, nach getaner Tat sofort ein Handtuch um die Hüften winden. Bei ihm nicht, bei ihm fiel sie tief und sanft.
    Er lächelte, und Irmi fand ihn wieder mal ungeheuer attraktiv. Er war einfach ein Mann, kein Wicht.
    »Hunger?«, fragte er.
    »Unbedingt!«
    Es war hübsch hier. Ein Haus der gehobenen Kategorie, und doch fühlte man sich nicht von Eleganz erschlagen. Der Sauvignon kam, und Irmi lehnte sich nach dem ersten Schluck zurück. »Herrlich, danke für die Einladung.«
    »Danke, dass du gekommen bist.«
    So lief es jedes Mal, es begann immer ein wenig hölzern. Zwischen ihren Treffen lag immer so viel Leben, das sie ohne den jeweils anderen verbrachten. Sie umschifften jedes Gespräch über seine Frau, und auch seine Töchter nahmen wenig Raum ein. Denn er spürte mit seinen feinen Antennen, dass sie seine Kindergeschichten immer ein wenig schmerzten. Sie, die kinderlose Mittfünfzigerin, war zufrieden mit ihrem Leben, sie hatte sich gut darin eingerichtet, sie mochte ihren Job, auch wenn er sie forderte. Und über die Rente dachte sie noch lange nicht ernsthaft nach, warum auch? Sie war gesund und – gemessen an vielen anderen – bei relativ klarem Verstand. Aber Gespräche über gut geratene Kinder oder auch missratene schlossen sie aus. Sie redeten auch nicht allzu viel über Irmis Fälle – und das war genau das Geheimnis ihrer Beziehung. Sie klinkten sich beide ein wenig aus ihrer jeweiligen Realität aus.
    Aus Irmis Rucksack lugte der Ordner heraus.
    »Hast du dir Arbeit mitgebracht?«, fragte er.
    »Nein, das nicht.« Irmi zögerte.
    »Geheim? Hat es mit deinem Fall zu tun?«
    »Irgendwie schon. Die Tote hatte das auf ihrem PC. Es ist ein eingescanntes handgeschriebenes Tagebuch. Es war in altdeutscher Schrift verfasst. Wir haben es in moderne Schrift übertragen lassen.« Irmi stockte. »Ich bin noch nicht besonders weit gekommen. Nur den ersten Eintrag habe ich gelesen.«
    »Aber der hat dich berührt, oder?« Er schenkte ihr Wein nach.
    »Ja, sehr. Erinnerst du dich an Galtür? Die Wanderung zum

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