Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)
eines Lebens, dachte Irmi und sagte: »Ihr Verlag scheint aber auch gerne zu provozieren? Gleich zwei Bücher einer Autorin mit wirklich brisanten Stoffen.«
»Sehen Sie, wir alle sind Opfer einer Welt, in der weniger gelesen wird. In der anders gelesen wird. In der die dezente Andeutung längst nicht mehr reicht. Auch wir müssen …«
»… die Verkaufszahlen im Auge haben?«, unterbrach Irmi ihn.
»Wenn Sie so wollen, ja. Das ist nur legitim.«
Legitim, ja, das war es. Eventuell hatte es Regina das Leben gekostet. Aber dafür konnte sie den zivilisierten Zillertaler nicht verantwortlich machen. Regina wäre mit Sicherheit zu einem anderen Verlag gegangen.
»Lassen wir die Jagdgeschichten mal außen vor, Herr Eberharter. Wir haben Zugang zu Regina von Brauns Aufzeichnungen, in denen ein bekannter Frauenarzt namens Josef Wallner eine unschöne Rolle spielt. Sie leben und arbeiten in Innsbruck. Da kennen Sie doch mit Sicherheit Professor Dr. Karl Wallner, den Bruder des Gynäkologen. Sie werden wissen, dass er mit großem Pomp sogar eine Straße im schönen Reutte bekommen soll. Und dann werfen Sie so ein Buch auf den Markt? Ist das deshalb alles so geheim? Ihre Lektorin war ganz von der Rolle.«
»Also, geheim ist hier gar nichts! Anita Schmidt ist natürlich auch schockiert über den Tod der Autorin.« Er stockte kurz. »Mord – so etwas haben wir ja nicht so oft. Sie will nur nichts falsch machen und hat Sie deshalb zu mir durchgestellt. Das Projekt ist in einem frühen Stadium. Wir wollten erst nach Ostern den Vertrag festklopfen und die gesamte Konzeption genauer besprechen.«
»Es ging auch um ein Tagebuch«, warf Irmi ihm einen Ball zu. »Von wem stammt es?«
»Bedaure, so genau bin ich in dem Projekt nicht drin. Das hat Anette Schmied betreut, die ist aber momentan im Urlaub.«
»Und die Familie Wallner? Haben Sie nicht mit einer Reaktion gerechnet? Sie haben doch eine so gute Rechtsabteilung?« Irmi konnte auch provokant sein.
»Wir sind ein seriöser Verlag, keine Kamikazeflieger. Wir hätten da schon einen Weg gefunden.«
Er war smart, der Herr Verleger. Und wenn der Verlag wirklich in Geldnöten steckte, war der Skandal sicher mit einkalkuliert. Auch das war legitim und Usus. Skandale waren eine großartige und kostenfreie Werbung.
»Was passiert denn nun mit den beiden Büchern?«, fragte Irmi möglichst neutral.
»Das Einverständnis der Familie vorausgesetzt, wird das Jagdbuch erscheinen. Das ist ja quasi fertig.«
Die Familie? Sie bestand rein rechtlich nur noch aus Robbie, Regina hatte die Vormundschaft für ihn gehabt. Aber eigentlich war es nicht Irmis Problem, wie es mit den Projekten weitergehen würde. Ihr Problem war, dass sie einen Mörder finden musste. Oder besser gesagt, dem Hauptverdächtigen den Mord nachweisen.
»Und das andere Buch?«
»Das ist leider mit der Autorin gestorben. Wir haben ja noch kein fertiges Manuskript, nur ein Konzept. Das ist wirklich schade, ich hätte dem Buch gute Chancen eingeräumt, auf eine Bestsellerliste zu kommen. Wir hätten auch rein werblich einiges dafür getan.« Er seufzte.
Wer mochte von Reginas zweitem Buchprojekt gewusst haben? Marc von Brennerstein bestimmt, der aalglatte Schnüffler, der hatte ja lange genug ins Reginas Leben umhergespukt und sogar Tommy Wallner aufgehetzt! Und dann hätte Tommy ein noch besseres Mordmotiv, nämlich nicht die Jagdgeschichten, sondern die Story über seinen Onkel, Gott hab ihn selig, den honorigen Bürger. Und was das zweite Buchprojekt betraf, hatte der Mord sein Ziel ja auch erreicht. Männerwelt(en) würde nicht erscheinen. Über Irmis Rücken lief ein Schauer. Dr. Wallner würde weiter ruhen. In Frieden? In gewisser Weise hätte Irmi sich dieses Buch gewünscht, weil sie nun mal diesen Gerechtigkeitstick hatte. Andererseits war der Mann eben tot, und sicher war das Nichterscheinen des Buches für Elli Reindls Seelenruhe gut. Diese Teile der Vergangenheit würden auch zukünftig vergraben bleiben.
Der Herr Verleger versicherte Irmi, jederzeit zur Verfügung zu stehen. Er gab ihr sogar seine Handynummer. Sie legte auf und saß nachdenklich in ihrem Büro, bis Kathi hereinpolterte.
»Meditierst du?«
»Nein. Setz dich kurz, bitte.« Irmi brachte Kathi auf den aktuellen Stand der Dinge. Es war nicht zu übersehen, dass Kathi das alles sehr theoretisch vorkam. Sie setzte auf etwas weit Konkreteres. Die Kollegen in Tölz hatten nämlich ein bisschen herumgefragt, und siehe da: Der schöne Herr
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