Playing with Fire - Verbotene Gefühle
danken. Liest du heute Abend auch?»
Alexa nickte. «Ja, ich sollte jetzt besser zurück. Normalerweise lese ich als Letzte. Schau dich inzwischen in aller Ruhe um.»
Er sah ihr kurz nach, während sie zu den Zuhörern zurückkehrte, und schlenderte dann zwischen den Regalen umher. Nur mit halbem Ohr hörte er dem nächsten Dichter zu, dessen Verse von der leisen Musik untermalt wurden, und rümpfte unwillkürlich die Nase. Lieber Gott, wie sehr er Lyrik verabscheute. Das ungenierte Ausbreiten von Gefühlen vor lauter fremden Leuten. Bei den verschwurbelten Vergleichen zwischen dem Wüten der Natur und menschlichem Zorn, bei den endlosen Klischees und der verworrenen Metaphorik konnte man als normaler Mensch schnell am eigenen Verstand zweifeln. Nein, da waren ihm eine gute Biographie oder ein klassischer Autor wie Hemingway jederzeit lieber. Und natürlich Opern, in denen die Wogen der Gefühle mitunter zwar auch hochschlugen, aber stets in einem klar kontrollierten Rahmen blieben.
Da hörte er über das Mikrophon eine dunkle, wohlvertraute Stimme.
Er postierte sich im Schatten eines Regals und beobachtete, wie Alexa die Bühne betrat. Sie wechselte kurz ein paar Späße mit dem Publikum, dankte allen für ihr Kommen und kündigte dann ihr neues Gedicht an.
«Ein kleiner, dunkler Ort»
, sagte sie schlicht.
Nick stellte sich auf etwas Hochdramatisches ein und fing vorsorglich an, sich Komplimente zurechtzulegen. Sie konnte ja nichts dafür, dass er kein Lyrik-Freund war. Jedenfalls würde er sich auf keinen Fall über etwas lustig machen, das ihr offenbar so viel bedeutete, und würde sie stattdessen sogar ermutigen.
«Verborgen zwischen weichem Pelz und glattem Leder;
Meine Beine verkrampft unter mir.
Ich warte auf das Ende und auf den Anfang,
Ich warte auf das helle, klare Licht, das mich zurückholt
In die Welt funkelnder Farben und dunkler Wohlgerüche, die auf mich einstürmen;
In die Welt voll spitzer Zungen, die sich hervorschlängeln, um jedes sanfte Lächeln zu zerfetzen. Ich lausche dem Klirren von Eis in bernsteinfarbener Flüssigkeit.
Hitze brennt in mir, die Erinnerung an einen Selbstmord vor langer Zeit; die Erinnerung an einen lautlosen Mord.
Sekunden … Minuten … Jahrhunderte.
Das plötzliche Wissen durchdringt meine Eingeweide; ich bin zu Hause. Ich schlage die Augen auf, der gleißende Blitz einer sich öffnenden Tür blendet mich.
Und ich frage mich, ob ich mich erinnern werde.»
Alexa faltete das Blatt Papier zusammen und nickte dem Publikum zu, das nach ihrem Vortrag in nachdenkliches Schweigen versunken war. Einige Leute kritzelten hektisch in ihren Notizbüchern herum. Maggie johlte anerkennend.
Dann lachte Alexa, trat von der Bühne und fing an, die leeren Kaffeebecher einzusammeln und zwanglos mit den anderen zu plaudern, während sich der Abend langsam dem Ende zuneigte.
Nick stand weiter allein da und beobachtete sie.
Ein fremdartiges Gefühl stieg in ihm auf. Ein Gefühl, das er noch nie zuvor empfunden hatte und darum nicht benennen konnte. Es gab im Leben nur wenige Dinge, die ihn berührten, und das war ihm zugegebenermaßen ganz recht.
Heute Abend hatte sich etwas verändert.
Alexa hatte einen wichtigen Teil ihrer selbst mit einem Raum voller Fremder geteilt. Mit Maggie. Mit ihm. Offen für Kritik. Sie setzte sich dem Urteil anderer aus und kehrte ihr Innerstes nach außen, so unmittelbar, dass er mit ihr mitfühlen konnte. Ihr Mut verschlug ihm den Atem. Und bei aller Bewunderung für sie stiegen zugleich Selbstzweifel in ihm auf wie ein Monster aus einer Lagune. War er entgegen all seinen Rechtfertigungen womöglich einfach bloß feige?
«Na, wie hat es dir gefallen?»
Maggie stand vor ihm. Er musste kurz blinzeln, bevor er sich wieder konzentrieren konnte. «Oh. Sehr gut. Es war das erste Gedicht, das ich von ihr gehört habe.»
Maggie lächelte wie eine Mutter, die stolz auf ihr Kind ist. «Ich sage ihr ständig, sie soll ihre Sachen in einem Sammelband veröffentlichen, aber daran ist sie nicht interessiert. Ihre Leidenschaft gilt nur dem Buchladen.»
«Kann sie nicht beides miteinander vereinbaren?»
Maggie schnaubte. «Klar. Du und ich, wir würden das sofort machen, weil wir ungern eine Gelegenheit verpassen. Al ist da anders. Ihr genügt es, ihre Gedichte mit anderen zu teilen – ein Buch mit ihrem Namen darauf, das braucht sie nicht für ihr Ego. Ihre Texte wurden schon in diversen Zeitschriften abgedruckt, und sie liest regelmäßig bei
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