Ploetzlich blond
Stapel Klamotten an die Brust presste.
Eine blasse, dünne Blondine, die pro Tag ungefähr zwanzigtausend Dollar verdiente, falls Fridas CosmoGIRL! korrekt recherchiert hatte!
Im Gegensatz zu meinem eigenen Zimmer zu Hause waren Nikkis Wände weder mit Kunstpostkarten noch mit Filmplakaten dekoriert. Es befanden sich auch nirgendwo hohe Stapel von Science-Fiction- oder Fantasybüchern, Computerzeitschriften und Mangas, die jeden Moment zusammenzustürzen drohten. Tatsächlich stand noch nicht mal ein Foto auf dem Nachttisch. Außer einem Computer – einem Laptop von Stark in einem ekelhaften Barbie-Pink auf einem Tischchen neben ihrem Bett – und einem Flachbildfernseher (ebenfalls von Stark), der an der gegenüberliegenden Wand hing, war überhaupt wenig zu sehen, was etwas über das persönliche Leben der Bewohnerin erzählte.
Okay, außer Schminksachen. Davon fand ich eine ganze Menge, als ich nacheinander die Schubladen aufzog, um … keine Ahnung, wonach ich überhaupt suchte.
Jedenfalls fand ich nichts außer Wimperntusche und Lipgloss. Sehr vielen Tübchen mit Lipgloss.
Die benötigte sie wahrscheinlich auch dringend, wenn sie immer so viel küsste. Klar, dass sie sich ihre Lippen ständig nachschminken musste.
Als ich die Tür zum angrenzenden Zimmer öffnete, entdeckte ich, dass Nikki zwar keine Bücher besaß, dafür aber um so mehr Kleider. Ich stand in einem eleganten begehbaren Kleiderschrank, der mit Tausenden von T-Shirts, Tops, Blusen, Pullis, Jacken, Jeans, Stoffhosen, Kleidern und Röcken aller Art gefüllt war, die ordentlich nach Farben sortiert an Holzbügeln hingen. Einige Teile waren so neu, dass sogar noch Preisschildchen daran baumelten. Ich entdeckte mehrere Paar Jeans, die vierhundert Dollar gekostet hatten, und ein eher schlicht aussehendes Kleid, an dessen Ausschnitt ein Preisschild hing, auf dem »$ 3000« stand (aber das war bestimmt falsch ausgezeichnet). Unter und über den Kleiderstangen waren Regalbretter angebracht, auf denen – ungelogen – Hunderte von Taschen, Täschchen und genau so viele Schuhe standen: Stiefel, Sneaker, Ballerinas, alle Arten von Pumps, Sandaletten, Riemchensandalen und sogar – aus welchem Grund auch immer – holländische Holzpantinen.
Frida hätte sich in Nikki Howards Kleiderschrank wahrscheinlich so gefühlt, als wäre sie im Paradies – ich war dagegen nur verwirrt. Welche Siebzehnjährige kann sich denn bitte Jeans für vierhundert Dollar leisten? Wer brauchte überhaupt Jeans für vierhundert Dollar? Und wieso war dieser Raum so abartig … ordentlich? Irgendwie war das fast beängstigend. Ich fühlte mich gar nicht wohl in diesem begehbaren Kleiderschrank. Kein bisschen.
Also drehte ich mich um und öffnete die Tür auf der gegenüberliegenden Seite, die in Nikki Howards Badezimmer führte.
Im Gegensatz zum Rest des Lofts war das Bad ausnahmsweise mal nicht weiß. Die Wände – zumindest die, an denen keine Spiegel hingen – waren mit dunkelgrauem Marmor gefliest. Es gab eine riesige Dusche und einen Whirlpool. Die Spiegel über den beiden Waschtischen waren ringsum mit run den Birnchen eingefasst. Das Mädchen, das mich aus dem Spiegel heraus betrachtete, sah total verängstigt aus.
Ich legte die Klamotten, die Lulu mir gegeben hatte, auf den Waschtisch und zog das Gummi aus dem Pferdeschwanz. Die Haare, die mir auf die Schultern fielen, sahen so wenig nach meinen eigenen Haaren aus wie überhaupt nur möglich. Statt langweilig glatt und braun zu sein, waren Nikki Howards Haare seidig und goldblond und wellten sich perfekt … obwohl sie eindeutig schon lange nicht mehr gebürstet – oder gewaschen – worden waren.
Als ich die Bänder hinten an meinem Krankenhaushemd löste und es mir auf die Füße (ich meine natürlich, Nikki Howards Füße) fiel, erblickte ich einen Körper, der noch weniger Ähnlichkeit mit meinem eigenen Körper hatte als die Haare mit meinen eigenen Haaren. Es war derselbe absolute Idealkörper (jedenfalls nach dem Schönheitsempfinden der »Lebenden Toten«), den ich auf zahllosen Anzeigen und Werbe plakaten für Victoria's Secret gesehen hatte, für die Nikki Howard gemodelt hatte. Alles entsprach genau dem, was ich auf den Fotos gesehen hatte. Es gab keine Überraschungen. Gar keine.
Nur die, dass dieser perfekte Körper jetzt anscheinend plötzlich mir gehörte.
Ohne in den Spiegel zu sehen, zog ich mir schnell die Sa chen an, die Lulu mir gegeben hatte: rosa Panties mit Spitzen besatz und einen
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