Plötzlich Fee - Sommernacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Sommernacht - The Iron Fey, Book 1: The Iron King
jetzt vielleicht nicht bis zum Ende unseres Abenteuers schaffen sollte. Ich brauchte ihn so sehr, wie ich noch nie irgendjemanden gebraucht hatte. Ich werde dich beschützen, dachte ich, von mir selbst überrascht. Du wirst es schaffen, das verspreche ich dir. Stirb mir bloß nicht weg, Ash.
Als könnte er meine Gedanken lesen, sah Ash mich ernst an. Im Zwielicht wirkten seine Augen grau und matt. Ich fragte mich, ob meine Gefühle meine Gedanken verrieten, ob Ash die Aura des Scheins lesen konnte, der mich umgab. Einen Moment lang zögerte er, als würde er einen inneren Kampf ausfechten. Dann seufzte er ergeben, lächelte schwach und streckte die Hand aus. Ich nahm sie, sodass er mich zu sich heranziehen, mich vor sich setzen und die Arme um meine Hüfte schlingen konnte. Ich lehnte mich gegen seine Brust und lauschte seinem schlagenden Herzen. Mit jedem Klopfen zeigte es mir, dass das alles real war, dass Ash lebte und immer noch bei mir war.
Der Wind frischte auf und trug den Geruch von Ozon und einen seltsamen, chemischen Gestank heran. Als ein Regentropfen auf das Ende unseres Rohrs fiel, stieg eine winzige Dampfwolke auf.
Abgesehen von seinen langsamen Atemzügen verharrte Ash vollkommen reglos, als hätte er Angst, dass eine abrupte Bewegung mich verschrecken könnte. Ich ließ meine Hand sinken und malte ihm Muster auf den Arm, wobei ich immer noch darüber staunte, wie kühl und
glatt seine Haut war – wie lebendiges Eis. Ich spürte, wie er zitterte, und hörte ein Rasseln, als er Luft holte.
»Ash?«
»Hm?«
Ich leckte mir angespannt über die Lippen. »Warum hast du geschworen, Puck umzubringen?«
Er zuckte zusammen. Ich spürte seinen Blick im Nacken, biss mir auf die Wange und wünschte, ich könnte die Frage zurücknehmen. Ich wusste nicht einmal, warum ich sie überhaupt gestellt hatte.
»Vergiss es«, sagte ich schnell und wedelte abwehrend mit der Hand. »Du musst es mir nicht sagen. Ich habe mich nur gefragt…«
Wer du eigentlich bist. Was Puck getan hat, dass du ihn so hasst. Ich will verstehen. Ich habe das Gefühl, keinen von euch beiden richtig zu kennen.
Noch mehr Regentropfen fielen auf den Boden und verdampften zischend. Ich kaute auf meinen Fleischstreifen herum, starrte in den Regen hinaus und war mir dabei jeder Berührung von Ashs Körper und seiner Arme an meiner Taille überdeutlich bewusst. Ich hörte, wie er seufzte. Dann setzte er sich zurecht.
»Es ist schon lange her«, murmelte er so leise, dass er im aufkommenden Wind kaum zu verstehen war. »Das war sogar noch vor deiner Geburt. Winter und Sommer lebten seit einigen Jahren in Frieden. Es gab immer kleinere Streitigkeiten zwischen den Höfen, aber so lange hatten wir einander schon seit Jahrhunderten nicht mehr in Ruhe gelassen.« In seiner Stimme schwang Schmerz mit, als er fortfuhr: »Der Sommer ging zu Ende und Veränderungen
kündigten sich an. Feen können nicht gut mit Langeweile umgehen, und einige von den Ungeduldigeren richteten wieder mal Unheil an. Ich hätte wissen müssen, dass es Ärger geben würde, aber in diesem Sommer dachte ich nicht an Politik. Der ganze Hof war gelangweilt und ruhelos, doch ich …« Seine Stimme brach, nur für einen kurzen Moment, bevor er weitersprach: »Ich hatte meine Liebste, Ariella Tularyn.«
Ich spürte, wie mir der Atem wegblieb. Seine Liebste. Ash hatte schon einmal etwas Festes gehabt. Und wenn man nach dem unterdrückten Schmerz in seiner Stimme ging, hatte er sie sehr geliebt. Ich verkrampfte, spürte plötzlich jeden Atemzug und vor allem seine Arme um mich. Ash schien keine Notiz davon zu nehmen.
»Wir waren im Wilden Wald auf der Jagd«, erzählte er weiter und stützte dabei das Kinn auf meinen Kopf. »Angeblich war in dieser Gegend ein goldener Fuchs gesichtet worden. Wir waren an diesem Tag zu dritt, drei Jagdgefährten. Ariella, ich und … und Robin Goodfellow.«
»Puck?«
Ash rutschte unruhig hin und her. Donner grollte in der Ferne, dann zuckten grüne Blitze über den Himmel.
»Ja«, brummte er, als würde es ihm Schmerzen bereiten, es auszusprechen. »Puck. Puck … war einmal ein Freund. Ich schämte mich nicht, ihn meinen Freund zu nennen. Damals trafen wir drei uns oft im Wilden Wald, weit weg von der Missbilligung der Hofgesellschaften. Die Regeln interessierten uns nicht. Damals waren Puck und Ariella meine besten Freunde. Ich vertraute ihnen blind.«
»Was ist passiert?«
Ashs Stimme wurde sanft, während er seine Erinnerungen mit mir
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