Plötzlich Fee - Sommernacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Sommernacht - The Iron Fey, Book 1: The Iron King
Sonst kommst du zu spät zur Schule.«
Stöhnend spähte ich unter meiner Decke hervor. War es wirklich schon Morgen? Anscheinend. Trübes graues Licht fiel durch mein Schlafzimmerfenster und auf meinen Wecker, der 6.48 Uhr anzeigte.
»Meghan!«, rief Mom wieder, diesmal begleitet von einem scharfen Klopfen an der Tür. »Bist du wach?«
»Ja-ha!«, brüllte ich vom Bett aus und wünschte nur, dass sie verschwinden würde.
»Dann beeil dich! Du verpasst noch den Bus.«
Mühsam kam ich auf die Füße, zog ein paar Klamotten vom saubersten Haufen auf dem Boden an und schnappte mir meinen Rucksack. Mein iPod fiel heraus und landete mit einem feuchten Klatschen vor meinen Füßen. Irritiert runzelte ich die Stirn. Warum war er nass?
»Meghan!«, hörte ich wieder Moms Stimme und rollte genervt mit den Augen. »Es ist schon fast sieben! Wenn ich dich zur Schule fahren muss, nur weil du den Bus verpasst hast, kriegst du einen Monat Hausarrest!«
»Schon gut, schon gut! Ich komme ja, verdammt!« Ich stapfte zur Tür und riss sie auf.
Vor mir stand Ethan. Sein Gesicht war blau und faltig.
Die Lippen hatte er zu einem breiten Grinsen verzogen. In einer Hand hielt er ein großes Schlachtermesser. Blutspritzer bedeckten seine Hände und sein Gesicht.
»Mommy ist hingefallen«, flüsterte er und rammte mir das Messer ins Bein.
Ich wachte schreiend auf.
Im Kamin flackerten grüne Flammen und tauchten den Raum in ein unheimliches Licht. Keuchend ließ ich mich in die kühlen Seidenkissen zurückfallen und wartete, bis der Alptraum langsam von der Realität verdrängt wurde.
Ich befand mich am Hof des Lichten Feenkönigs und war hier genauso gefangen wie der arme Puck in seinem Käfig. Ethan, der echte Ethan, war immer noch irgendwo da draußen und wartete darauf, gerettet zu werden. Ich fragte mich, ob es ihm gut ging und ob er genauso verängstigt war wie ich. Ich fragte mich auch, ob Mom und Luke mit diesem dämonischen Wechselbalg in ihrem Haus klarkamen. Ich konnte nur hoffen, dass Moms Verletzung nicht weiter schlimm war und dass der Wechselbalg niemanden sonst verletzen würde.
Während ich in diesem fremden Bett im Feenreich lag, kam mir noch ein anderer Gedanke. Ausgelöst durch etwas, was Oberon gesagt hatte: Dieser Mann ist nicht dein Vater, Meghan. Ich bin es.
Ist, nicht war. So als wüsste Oberon, wo er war. So als wäre er noch am Leben. Bei diesem Gedanken klopfte mein Herz vor Aufregung. Ich hatte es geahnt. Mein Dad musste hier im Feenreich sein, irgendwo. Vielleicht sogar
ganz in der Nähe. Wenn ich doch nur zu ihm gelangen könnte!
Aber eins nach dem anderen. Erst mal musste ich hier weg.
Ich setzte mich auf … und blickte in die ausdruckslosen grünen Augen des Erlkönigs.
Er stand neben dem Kamin und das flackernde, unstete Licht der Flammen, das über sein Gesicht glitt, ließ ihn noch unheimlicher und gespenstischer erscheinen. Sein langer Schatten kroch durch den Raum, bis sich die Spitzen der geweihartigen Krone wie dürre Finger über die Bettdecke streckten. Im Halbdunkel leuchteten seine Augen katzenhaft. Als er sah, dass ich wach war, nickte er mir zu und winkte mich mit einer schlanken langfingrigen Hand heran.
»Komm.« Seine Stimme war zwar sanft, doch in ihr schwang bedingungslose Autorität mit. »Tritt näher. Unterhalten wir uns, Tochter.«
Ich bin nicht deine Tochter, wollte ich erwidern, doch mir blieben die Worte im Hals stecken. Aus dem Augenwinkel konnte ich den Spiegel über der Kommode und mein langohriges Abbild darin erkennen. Schaudernd wandte ich mich ab.
Als ich die Bettdecke zurückschlug, bemerkte ich, dass ich andere Kleidung trug. Statt des zerrissenen T-Shirts und der dreckigen Hose, die ich während der letzten zwei Tage angehabt hatte, trug ich ein weißes Spitzennachthemd und war sauber. Zudem lag am Fußende des Bettes ein weiteres Outfit für mich bereit: ein absurd edles Kleid, das über und über mit Smaragden und Saphiren besetzt
war, und dazu passend ein Mantel und Handschuhe, die bis zum Ellbogen reichten. Das gesamte Ensemble entlockte mir ein Naserümpfen.
»Wo sind meine Sachen?«, fragte ich Oberon. »Also, meine richtigen Sachen.«
Der Erlkönig schnaubte. »Ich lehne es ab, dass an meinem Hof die Kleidung der Sterblichen getragen wird«, erklärte er ruhig. »Ich bin der Meinung, du solltest etwas tragen, was deiner Herkunft entspricht, da du ja nun eine Weile bei uns bleiben wirst. Deine menschlichen Lumpen habe ich verbrennen
Weitere Kostenlose Bücher