Plötzlich Fee - Sommernacht - Kagawa, J: Plötzlich Fee - Sommernacht - The Iron Fey, Book 1: The Iron King
Absolute Stille umgab uns. Ich nahm niemanden wahr außer Oberon. Der Rest des Hofstaates trat immer mehr in den Hintergrund, bis es auf der ganzen Welt nur noch uns beide gab.
Puck krächzte empört und schlug mit den Flügeln gegen die Gitterstäbe seines Käfigs.
Das brach den Bann.
»Was?«, würgte ich hervor. Der Erlkönig blinzelte nicht einmal, was mich irgendwie noch wütender machte. »Das ist nicht wahr! Mom war mit meinem Dad verheiratet. Sie war mit ihm zusammen, bis er verschwunden ist, und dann hat sie Luke geheiratet.«
»Das ist korrekt.« Oberon nickte. »Aber dieser Mann ist nicht dein Vater, Meghan. Ich bin es.« Er stand auf, und seine höfischen Gewänder bauschten sich um seinen Körper. »Du bist eine Halbfee, zur Hälfte von meinem Blut. Was meinst du, warum ich Puck damit beauftragt habe, dich zu bewachen und dich daran zu hindern, unsere Welt zu erblicken? Weil das ganz natürlich für dich
ist. Die meisten Sterblichen sind blind, doch du konntest von Anfang an durch den Nebel sehen.«
Mir fielen die vielen Gelegenheiten ein, bei denen ich etwas zu sehen geglaubt hatte, immer nur aus dem Augenwinkel oder als Schatten in den Bäumen. Kurze Blicke auf Dinge, die nicht wirklich da waren.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube Ihnen nicht. Meine Mom hat meinen Dad geliebt. Sie hätte nie …« Ich verstummte, da ich nicht weiter darüber nachdenken wollte, was das bedeutete.
»Deine Mutter war eine wunderschöne Frau«, fuhr Oberon sanft fort, »und recht außergewöhnlich — für eine Sterbliche. Künstlerisch begabte Menschen können immer einen Hauch der Feenwelt um sich herum spüren. Sie ging oft in den Park, um zu zeichnen und zu malen. Dort, an dem kleinen Teich, sind wir uns das erste Mal begegnet.«
»Hören Sie auf«, presste ich hervor. »Sie lügen. Ich bin keine von euch. Kann ich gar nicht sein.«
»Nur zur Hälfte«, schränkte Oberon ein, und aus dem Augenwinkel sah ich die angewiderten, verächtlichen Blicke der anderen Höflinge. »Doch das reicht aus, dass meine Feinde versuchen werden, mich durch dich unter ihre Kontrolle zu zwingen. Oder vielleicht auch, dich gegen mich aufzubringen. Du bist gefährlicher, als es dir bewusst ist, Tochter. Und da du eine Bedrohung darstellst, musst du hierbleiben.«
Immer mehr schien meine Welt zusammenbrechen. »Und wie lange?«, flüsterte ich und dachte dabei an Mom, Luke, die Schule, einfach alles, was ich in meiner Welt zurückgelassen hatte. Wurde ich bereits vermisst?
Würde ich irgendwann zurückkehren und feststellen müssen, dass hundert Jahre vergangen waren, während ich weg war, und alle Menschen, die ich gekannt hatte, schon lange tot waren?
»Bis ich etwas anderes beschließe«, verkündete Oberon in demselben Ton, den meine Mutter immer anschlug, wenn sie nicht weiter diskutieren wollte. Weil ich es sage. »Auf jeden Fall, bis das Elysium vorbei ist. Der Winterhof wird in ein paar Tagen eintreffen, und da will ich dich hier haben, wo ich dich im Auge behalten kann.« Er klatschte in die Hände, woraufhin sich ein weiblicher Satyr aus der Menge löste und sich vor ihm verneigte. »Bring meine Tochter in ihr Gemach«, befahl er und nahm wieder auf seinem Thron Platz. »Und sorg dafür, dass sie sich wohlfühlt.«
»Jawohl, Herr«, murmelte die Satyrin und schritt davon, wobei sie sich umschaute, ob ich ihr auch folgte.
Oberon lehnte sich zurück und sah mit ausdrucksloser, starrer Miene an mir vorbei. Meine Audienz beim Erlkönig war beendet.
Ich war bereits einige Schritte zurückgestolpert, um dem Ziegenmädchen zu folgen, als plötzlich Grimalkins Stimme von unten herauf erklang. Den Kater hatte ich völlig vergessen. »Ich bitte um Verzeihung, Herr«, sagte Grimalkin, setzte sich aufrecht hin und legte den Schwanz um seine Pfoten. »Leider ist der geschäftliche Teil noch nicht abgeschlossen. Seht Ihr, das Mädchen steht in meiner Schuld. Sie versprach mir einen Gefallen, wenn ich sie sicher hierher bringe, und dieser Verpflichtung muss noch nachgekommen werden.«
Verwirrt starrte ich den Kater an und fragte mich, warum er das ausgerechnet jetzt zur Sprache bringen musste.
Oberon hingegen musterte mich streng. »Ist das wahr?«
Ich nickte, während ich beunruhigt feststellte, dass die Adeligen mich plötzlich voller Entsetzen und Mitleid ansahen. »Grim hat mir geholfen, den Kobolden zu entkommen«, erklärte ich. »Er hat mir das Leben gerettet. Ich würde jetzt nicht hier stehen, wenn er nicht
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