Plötzlich geküsst - Magische Zeiten ; 3
entgegenpfiff. Hätte mich nicht gewundert, wenn sich dahinter ein schwarzes, gähnendes Loch aufgetan hätte, das mich verschlingen würde. Als ich die Tür aufstieÃ, sah die Wohnung zwar aus wie immer, aber ich konnte geradezu körperlich spüren, dass Tante Emmi nicht mehr da war. Nichts rührte sich, es war still wie auf einem Friedhof.
Wir schlichen hinein und blieben vor der verschlossenen Tür von Tante Emmis Zimmer stehen. Wie in Zeitlupe streckte ich die Hand nach der Türklinke aus.
»Hältst du das für eine gute Idee?«, fragte Suse schon wieder. Sie schien wirklich ernsthafte Zweifel an meinem Geisteszustand zu haben. Kein Wunder, die hatte ich auch.
Luna war wieder auf meiner Seite. »Natürlich müssen wir da rein«, flüsterte sie. »Sehen, ob es ⦠geklappt hat.«
Langsam drückte ich die Klinke hinunter. Die Tür quietschte etwas, als ich sie vorsichtig, Zentimeter für Zentimeter aufdrückte. Ich hatte, ohne zu merken, die Augen zugedrückt und jetzt machte ich sie auf.
Das Zimmer war menschenleer. Sie hatte es wirklich getan! Unbewusst hatte ich bis zu diesem Moment doch noch gehofft, dass sich all das nur als ein schrecklicher Albtraum herausstellen würde. Aber nein.
Auf einem Stuhl lag der Bademantel, den Tante Emmi morgens in der Küche noch angehabt hatte. Ich ging durchs Zimmer, betrachtete Tante Emmis Bett, strich mit einer Hand über die Bücher im Regal, über die Schmuckstücke, die überall verstreut lagen, dann nahm ich den Bademantel und drückte meine Nase hinein. Er duftete nach ihr, nach einer Mischung aus Marshmallows und Rosen. Während ich tief einatmete, lieà ich meinen Blick weiterwandern. Es war, als wäre Tante Emmi nur mal kurz weggegangen.
Und dann sah ich unsere drei Ringe.
Das Gold und die Diamanten funkelten, als würden sie mir zuzwinkern. Sie lagen auf dem Ledersessel, in den Tante Emmi sich vermutlich gesetzt hatte, um ihre lange Reise ohne Wiederkehr anzutreten. Ich keuchte auf.
Luna und Suse hatten die Ringe im selben Moment entdeckt.
»Also hat es funktioniert.« Suse flüsterte noch immer. »Wahnsinn, es hat echt funktioniert. Sie ist weg und die Ringe sind noch da.«
Wie am Faden gezogen steuerten wir alle drei auf den Sessel zu und streckten die Hand aus. Ich steckte meinen lila Diamanten an, Suse den grünen, Luna den blauen. Ganz hinten, halb unter das Polster des Sessels gerutscht, sah ich eine Fotografie. Ich zog sie hervor und sah, dass es eine Aufnahme von mir war. Ich stand breit lächelnd in dem von Tante Emmi genähten Kleid auf dem Schulball meiner Junior High in New York.
Ich hielt das Foto fest und es tropften ein paar Tränen darauf. »Ich hoffe, sie vergisst mich nicht.«
Dann gingen wir aus dem Zimmer, schlossen die Tür fest hinter uns, stahlen uns durch den Gang an der Küche vorbei und in mein Zimmer, um meine Tasche zu holen.
»Menschmenschmensch!«, rief Luna und lieà sich auf mein Bett fallen. Suse landete eine Sekunde später daneben. Ich blieb in der Mitte des Zimmers stehen.
»Ich bin total fertig«, murmelte Luna mit geschlossenen Augen. »Und übrigens ⦠am Verhungern.« Sie öffnete ein Auge und sah mich vorsichtig an, als überlegte sie, ob sie in so einer Situation über etwas derart Unwichtiges wie Essen reden durfte.
Aber ich musste zugeben, dass auch mein Magen ziemlich knurrte. Wir hatten ja nicht mal gefrühstückt und jetzt wurde es drauÃen schon langsam dunkel.
»Nur gut, dass es zu Hause gleich Spaghetti gibt«, sagte Suse und sah auf die Uhr. »In einer halben Stunde.«
»Mit HackfleischsoÃe?«, fragte Luna.
»Mit Ricottabällchen«, antwortete Suse etwas schläfrig.
»Ah! Ich liebe Ricottabällchen!«, hörte ich eine Stimme hinter mir. »Na, dann mal los, ihr müden Kriegerinnen!«
Ich wirbelte herum und sah direkt in Tante Emmis Augen.
26. Kapitel
D a stand sie in einem langen dunkelroten Kleid. Sie hatte ihre Haare zu einem eleganten französischen Zopf geflochten und trug auffällige Ohrringe mit grünen Steinen. Ich dachte, ich träume.
Aber ich träumte nicht, wie mir klar wurde, als Suse und Luna kreischend aufsprangen und sich auf sie stürzten, sodass sie fast umfiel. Tante Emmi lachte ihr silbriges Lachen, strich ihnen über die Köpfe und lieà mich dabei nicht eine Sekunde aus den
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