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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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dann geht genauso Jelly. Das dauert nicht länger als ein paar Minuten.«

Gerade in der letzten Zeit steht er mir aber
    Als Ronald zur zauberhaften Sonne eines Dienstags erwachte und seinen geliebten Terrier, Schachira, zwischen seinen Beinen vorfand, wie er ihm seinen Morgenständer leckte, glitt durch sein dämmriges, relativ leeres Gehirn ein einsamer Gedanke, scharf wie eine Rasierklinge: Ist das sexuell? Beziehungsweise, leckte ihm Schachira die Eier auf die gleiche Art, auf die er die von Schneider, dem Zwergschnauzer, zu lecken pflegte, den er jedes Mal zu besteigen versuchte, wenn sie im Me’ir-Park aufeinander stießen, oder leckte der Hund die Geschlechtsteile seines Herrn aus dem gleichen Impuls heraus, der ihn dazu bewog, Tautropfen von der Oberfläche eines duftenden Blattes zu lecken?
    Dies war eine entschieden quälende Frage. Zwar nicht so peinigend wie die Frage, ob ihn Niva, seine breithüftige Frau, im Verdacht hatte, mit seiner Büropartnerin Ranana zu vögeln, und deswegen am Telefon immer so ekelhaft zu ihr war, oder ob es sich bloß um reine Antipathie handelte – jedoch quälend genug.
    »Oh, Schachira, Schachira«, murmelte Ronald mit einer Mischung aus Selbstmitleid und Empathie in sich hinein, »nur du liebst mich wirklich.« Und Schachira, der vielleicht ein menschliches männliches Geschlechtsteil als solches nicht zu identifizieren wusste, seinen Namen jedoch sehr wohl erkennen konnte, reagierte mit freudigem Gebell. Keine Frage, es war vorzuziehen, ein Hund zu sein und mit hündischen Dilemmas von der Art konfrontiert, welchen-Baum-soll-ich-heute-früh-mit-Urin-bewässern, als ein Ronald zu sein und diese ganzen peinigenden moralischen Dilemmas zu wälzen wie beispielsweise – ist-Ranana-in-meinem-und-Nivas-Schlafzimmer-im-Stehen-zu-vögeln-während-sie-über-den-Schminktisch-gebeugt-ist-weniger-hässlich-als-sie-wirklich-und-wahrhaftig-im-Ehebett-zu-vögeln? Eine Frage mit vielfachen Implikationen übrigens. Denn wenn es das nicht war, dann war es im Bett schon bequemer, und Schluss der Debatte. Oder verkleinerte es zum Beispiel irgendwie das Ausmaß des Betrugs, wenn er von seiner nackten Frau phantasierte, während er in Ranana eindrang, oder handelte es sich dabei um eine weitere Abartigkeit?
    »Papa ist nicht pervers, mein süßer Schachira«, Ronald streckte sich und stand vom Bett auf. »Papa ist ein komplexer Mensch.«
    »Was?«, Niva spähte ins Schlafzimmer. »Hast du was gesagt?«
    »Ich habe zu Schachira gesagt, dass ich heute spät zurückkomme, weil ich abends einen Termin mit den Deutschen habe«, nutzte Ronald den seltenen Augenkontakt, der mit seiner Frau entstanden war.
    »Ach wirklich?«, gab Niva geringschätzig zurück. »Und was hat Schachira dazu gesagt?«
    »Nichts«, erwiderte Ronald und zog graue Unterhosen an, »Schachira akzeptiert mich.«
    »Schachira akzeptiert auch Bonzofraß«, zischte Niva, »er ist nicht gerade ein Hund mit hohen Standards.«

    Einer der großen Vorteile, wenn man eine Nebenaffäre mit einer Arbeitskollegin unterhält, ist, dass sämtliche romantischen Abendessen, die man bei Kerzenlicht verspeist, als von der Steuer absetzbar anerkannt werden. Das ist bestimmt nicht der einzige Vorteil, doch ohne Zweifel der erregendste dabei. Speziell für Ronald, für den es eine der intensivsten und schönsten Freuden in seinem Leben war, Rechnungsbons an Papierstücke zu klammern, die mit Daten und Erklärungen aus seiner Feder geschmückt waren. Und wenn es sich dabei um Rechnungen handelte, die nicht nur ein Instrument zur Steuervergünstigung, sondern auch ein Beweisposten waren, der die nostalgische Reminiszenz an eine besonders gelungene Liebesnacht ermöglichte, war der darin verkörperte Genuss doppelt und dreifach.
    »Ich brauche eine Rechnung für die Steuer«, sagte Ronald zum Kellner, wobei er das Wort »Steuer« betonte, als gäbe es auf unserer wundersamen Welt überhaupt Rechnungen anderer Art. Der Kellner nickte ihm zu, als sei er ein Kenner der Materie. Ronald mochte ihn nicht. Vielleicht weil er mit ärgerlicher Schulmeisterlichkeit stets ihre Aussprachefehler bei den ganzen Namen der Speisen korrigierte, oder weil er sich alle Mühe gab, während der gesamten Dauer des Essens seine linke Hand hinter dem Rücken auf eine Art zu verbergen, die Ronald stresste, vielleicht aber auch weil seine Kellnerei an sich, eine Existenz, die sich von Trinkgeldern ernährte, ein finanzieller Posten war, der Ronald besonders aufbrachte, da

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