Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)
weiß, dass du sie nicht hast. Ich kann dir seine Nummer jetzt sofort geben.« Auch ich habe einen Reiseagenten, der Arik heißt. Auch er ist bereit, für mich zu lügen.
Als das Flugzeug das Gate erreichte, redete er immer noch am Telefon. Er spulte die ganzen Antworten ab, die ich immer sagte. Ohne Gefühl, wie ein Papagei. Wie ein Papagei in einer Welt, in der die Zeit verkehrt rum fließt – wiederholte das, was gesagt werden würde, anstelle dessen, was gesagt worden war. Seine Antworten waren die absolut richtigsten, die es gab, gemessen an der Situation. Seine Situation war nicht besonders. Ganz und gar nicht. Auch meine nicht. Auf meinen Anruf hatte ich noch keine Reaktion erhalten, doch allein davon, diesem Mann zuzuhören, der wusste, was ich sagen würde, verging mir jede Lust. Beim bloßen Zuhören konnte ich nachvollziehen, dass ich aus diesem Loch – auch wenn es mir gelingen würde, mir einen Weg nach draußen zu graben – in einer anderen Wirklichkeit ankommen würde. Sie würde nicht verzeihen, sie würde kein Vertrauen haben. Niemals. All die kommenden Reisen würden die Hölle sein und die Zeit dazwischen sogar noch grauenhafter. Er fuhr fort zu reden, redete und redete, sagte diese ganzen Sätze, die ich verfasst und nur noch nicht gesagt hatte. Er hörte nicht auf, dieser Schwall. Er beschleunigte das Tempo, änderte die Intonation, wie ein Ertrinkender, der mit aller Kraft strampelt im Bemühen, weiterhin über Wasser zu bleiben. Die Leute fingen schon an auszusteigen. Er stand von seinem Platz auf, immer noch in dem Gespräch, sammelte mit der freien Hand die Tasche des Laptops auf und begann in Richtung Ausgang zu gehen. Ich konnte zusehen, wie er sie vergaß, die Tüte, die er ins Gepäckfach über uns gelegt hatte. Ich konnte sehen, wie er sie vergaß, aber ich sagte kein Wort. Ich blieb sitzen. Langsam und allmählich leerte sich das Flugzeug. Am Schluss blieben nur noch ich und irgendeine dicke orthodoxe Frau mit einer Million Kinder übrig. Ich stand auf und öffnete das Gepäckfach, als wäre gar nichts. Ich holte die Duty-Free-Tüte von dort heraus, als hätte sie immer schon mir gehört. Unter dem transparenten Plastik schimmerten ein Rechnungsbeleg und eine Flasche Mystique von Guerlain. Meine Frau ist ganz versessen auf dieses Parfüm. Schlicht süchtig danach. Wenn ich aus dem Ausland ohne eine Flasche Mystique vom Duty Free zurückkomme, sagt sie, ich liebe sie nicht mehr. Wenn ich es wage, ohne wenigstens eine davon zur Tür reinzukommen, hab ich echt ein Problem.
Kreatives Schreiben
Die erste Geschichte, die Maja schrieb, war über eine Welt, in der sich die Menschen spalteten, anstatt sich zu vermehren. In dieser Welt konnte jeder Mensch im entsprechenden Moment zwei Wesen werden, von denen jedes halb so alt war wie er. Es gab welche, die das in frühen Jahren machten – Frauen, die sich schon mit achtzehn in zwei neunjährige Mädchen teilten –, und solche, die warteten, bis sie etabliert waren und sich beruflich und finanziell verwirklicht hatten, und es erst im mittleren Alter taten. Die Heldin in Majas Geschichte war eine Ungespaltene, die bereits die achtzig überschritten hatte und trotz allem gesellschaftlichen Druck darauf beharrte, sich nicht zu teilen. Am Schluss der Geschichte starb sie. Die Geschichte war schön, außer dem Ende. Sie hatte etwas Deprimierendes. Deprimierend und vorhersehbar. In dem Workshop lobte man sie jedoch sehr, gerade für diesen Schluss. Der Leiter des Workshops, der ein bekannter Schriftsteller oder so was sein sollte, von dem Avi’ad aber nie etwas gehört hatte, sagte zu ihr, dass »in der Banalität des Endes etwas Gespaltenes« liege, oder irgendeine andere Schwachköpfigkeit. Avi’ad sah, wie sie dieses Lob freute – sie war richtig aufgeregt, als sie ihm davon erzählte, zitierte den Satz, den dieser Schriftsteller zu ihr gesagt hatte, wie man irgendeinen Vers aus der Bibel zitiert. Und Avi’ad, der anfangs noch versuchte, etwas in Bezug auf den Schluss vorzubringen, schwenkte sofort um und sagte, das sei alles eine Geschmacksfrage, und er verstehe ja nicht wirklich was davon.
Es war die Idee ihrer Mutter gewesen, dass sie in einen Workshop für kreatives Schreiben gehen könnte. Sie hatte erzählt, dass irgendeine Tochter von Freunden vor einem Jahr daran teilgenommen und es ihr sehr gefallen hatte. Auch Avi’ad hatte das Gefühl, dass es gut wäre, wenn Maja mehr aus dem Haus ginge, etwas mit sich selber anfangen
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