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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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in der Nacht aufwecken würdet, wären die ersten Sachen, die in meinem Kopf von ihr hochschwappen würden, garantiert dieser halb überraschte Blick von ihr, eine Sekunde bevor sie zu weinen anfängt; ihr Hintern; die bezaubernde Art, auf die sie immer sagt, wirklich wie ein kleines Mädchen, »ich wollte dir was sagen«, bevor sie über etwas redet, das sie wirklich berührt. Sie ist bezaubernd, meine Freundin, echt bezaubernd. Aber manchmal bin ich mir nicht so ultimativ sicher, dass diese ganze Geschichte ein gutes Ende nimmt.
    Auch dieser Besitzer von der Wohnung, der, der versucht hat, uns mit dem Vertrag anzuschmieren, heißt Ilan. So ein ätzender Fünfzigjähriger, der ein komplettes Gebäude in Toplage in der Vormaizastraße von seiner verstorbenen Großmutter geerbt hat und der, außer Schecks von den Mietern einzusammeln, in seinem Leben noch nie irgendeine Arbeit gemacht hat. Er hat diese blauen Augen von einem Piloten und silberglänzendes Haar wie dieser Exluftwaffenchef, Avihu Ben Nun. Aber er ist kein Pilot. Als wir unterschrieben haben, hat er mir erzählt, dass er seinen gesamten Militärdienst in Baracken in irgendeiner Transportbasis rumgebracht hat. Erst vor drei Jahren hörten sie auf, ihn zu Wehrübungen einzuberufen. Per Zufall habe ich entdeckt, dass er sie vögelt. Wenn sie mich nicht in diese ganze Geschichte mit den Ilans eingeweiht hätte, wäre ich nicht mal misstrauisch geworden. Als ich die beiden zu Hause erwischte, war er im Wohnzimmer, angezogen, sagte, er sei gekommen, um zu kontrollieren, ob wir ihm nicht die Bude ruinierten. Doch als er dann gegangen war, setzte ich sie unter Druck, und sie gab es zu. Aber ohne irgendein Schuldgefühl. So im Ton einer Tatsache, ganz trocken. Wie eine, die zu dir sagt, dass der Fünfer nicht bis zum Nordbahnhof fährt. Und sofort nachdem sie mit dem Geständnis fertig war, sagte sie, sie wolle mich um etwas bitten. Sie wolle mich darum bitten, dass wir es einmal mit ihr zusammen machen. Wir beide. Von ihr aus wäre sie sogar bereit, mit mir auszumachen, dass sie ihn nach diesem einen Mal nicht mehr sieht. Sie wolle nur einmal ihre beiden Ilans in sich spüren. Er würde garantiert einverstanden sein, dieser faule Geilsack, das wisse sie, und ich am Ende auch, weil ich sie liebte, und zwar wirklich.
    Und so finde ich mich im Bett wieder, mit meinem Wohnungsbesitzer. Einen Moment bevor er sich auszieht, macht er noch eine Bemerkung zu mir über den Rollladen in der Küche, der nicht ordentlich schließt und dessen Scharniere man ölen müsste. Ihr Körper fängt über mir zu zittern an, und ich begreife, dass es gleich so weit ist. Und wenn sie dann schreit, ist das total in Ordnung, denn unser Name ist tatsächlich Ilan. Aber wir werden nie wirklich wissen, ob sie meinen oder seinen schreit.

Die Hündin
    »Witwer«. Wie sehr er den Klang dieses Wortes liebte. Liebte und sich dafür schämte, dass er es liebte. Aber was sollte man machen, wenn Liebe nun mal ein unkontrollierbares Gefühl war? »Junggeselle« hörte sich für ihn immer egozentrisch, fast genüsslich an, und »geschieden« klang besiegt. Noch schlimmer als besiegt, geschlagen. Aber »Witwer« klang wie einer, der Verantwortung übernommen, sich verpflichtet hat, und dass es nicht von Dauer gewesen war – dafür kann man nur Gott oder der Natur die Schuld geben, je nachdem aus welcher Schule ihr stammt. »Witwer« hörte sich fast wie ein Rangabzeichen plus kleiner Tapferkeitsmedaille an. So etwas wie ein Oberst ade oder eins dieser Spruchkürzel – WerInTreueWardErkoRen. Er zog eine Zigarette heraus und wollte sie sich gerade anzünden, als die junge anorektische Frau, die ihm im Abteil gegenübersaß, in Französisch aufjaulte und auf das Schild »Non fumeur« deutete. Das Letzte, das er in einem Bahnwaggon von Marseille nach Paris erwartet hatte, war, dass sie einem nicht erlauben würden, sich eine Gauloise anzuzünden. Womit klar war, dass die Amerikaner sie trotz des ganzen Brustgetrommels, das ihr Präsident im Fernsehen aufführte, und trotz aller Beschimpfungen, die er weiterhin auf Amerikas Haupt niederprasseln ließ, schon längst geschlagen hatten. Ganz ohne Militär, allein mit ihrem Neurotikvirus, der die Franzosen über die McDonalds und CNN infizierte. Bevor er Witwer wurde, war es Chalina gewesen, die jedes Mal, wenn er sich gerade eine Zigarette anzünden wollte, einen Anfall bekam und in einen Monolog ausbrach, der stets mit seiner Gesundheit begann und mit

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