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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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Verzeih mir.«
    »Sie liebt Sie«, sagte die alte Dame in gebrochenem Englisch zu ihm, »sehen Sie, sehen Sie nur, wie sie Ihnen das Gesicht leckt. So habe ich sie noch nie bei einem fremden Menschen erlebt.«

Eine schlagende Geschichte
    Diese Geschichte ist die beste im Buch. Mehr noch. Sie ist die beste Geschichte der Welt. Und das haben nicht wir bestimmt, das haben hier elf unabhängige Experten festgelegt, die sie unter Laborbedingungen mit einem repräsentativen Musterbeispiel aus der Weltliteratur verglichen haben. Diese Geschichte ist eine exklusiv israelische Entwicklung. Ihr fragt, wie es kommt, dass ausgerechnet wir sie verfasst haben und nicht die Amerikaner? Dann sollt ihr wissen, dass sich auch die Amerikaner das fragen. Und nicht wenige Größen in der amerikanischen Verlegerwelt sind im Begriff, ihren Posten zu verlieren, weil sie sich nicht rechtzeitig mit der Antwort gewappnet hatten.
    Genau wie unsere Armee die beste der Welt ist, so ist es auch mit dieser Geschichte. Es handelt sich um eine bahnbrechende Entwicklung, die als eingetragenes Patent geschützt ist. Und wo ist dieses Patent registriert? Tja, das ist es eben, dass es in der Geschichte selbst registriert ist. In dieser Geschichte gibt es keine Kniffe, keine Kunstgriffe, keine beweglichen Teile. Sie ist ganz und gar aus einem Hardcover gemacht, eine Legierung aus vertieften Einsichten und Aluminium. Sie rostet nicht, sie drängt sich nicht auf, aber sie beutelt sehr wohl. Sie ist höchst aktuell, steht aber auch über der Zeit. Die Geschichte wird das Urteil fällen. Übrigens, nach Meinung vieler und Guter ist das Urteil schon gesprochen, und sie kam überragend dabei weg.
    »Was ist denn so besonders an dieser Geschichte?«, fragen die Leute naiv oder mit vorgeblicher Unschuld – hängt davon ab, welche Leute. »Was hat sie an sich, das ein Tschechow oder Kafka oder wasweißichnix nicht hat?« Die Antwort auf diese Frage ist lang und komplex. Länger als die Geschichte selbst, allerdings weniger komplex. Denn es gibt nichts Komplexeres als diese Geschichte. Und trotzdem, versuchen wir mal, mit einem Beispiel darauf zu antworten. Am Schluss dieser Geschichte wird beispielsweise, im Gegensatz zu Geschichten von Tschechow oder Kafka, unter denen, die richtig lesen, ein Mazda Lantis in metallicgrauer Farbe verlost. Und unter den nicht richtigen Lesern wird ein weiteres, billigeres Auto verlost, allerdings nicht weniger grau und metallic, damit sie sich nicht schlecht fühlen. Denn diese Geschichte ist nicht dazu da, um sich über euch zu erheben. Sie ist da, damit ihr euch gut fühlt. Wie steht es so schön auf der Papierserviette in der nächstgelegenen Steakeria bei euch ums Eck? Hat’s euch gefallen – erzählt es allen. Hat’s euch nicht gefallen – erzählt es uns. Oder in diesem Fall – der Geschichte. Denn diese Geschichte erzählt nicht nur, sie hört auch zu. Ihr Ohr, wie man so sagt, lauscht den Herzensregungen der Öffentlichkeit. Und wenn die Öffentlichkeit genug von ihr haben sollte und darum bittet, ihr ein Ende zu setzen, wird sie nicht säumen oder sich asylheischend an den Altarecken festklammern. Sie wird einfach aufhören.

Eine schlagende Geschichte II
    Aber falls ihr sie eines Tages, so der Nostalgie wegen, plötzlich wieder wollen solltet, wird sie immer gern zurückkehren.

Eine satte Portion
    Dermaßen echt
    In der Nacht vor seinem Flug nach New York hatte Gerschons Frau einen Traum. »Es war dermaßen echt«, erzählte sie ihm, während er den Koffer packte. »Die Bordsteinkanten im Traum waren rot-weiß gestrichen, und an den Strommasten klebten Verkaufsanzeigen für Wohnungen, du weißt schon, mit diesen Streifchen zum Abreißen, genau wie im richtigen Leben. Und es gab sogar einen Mann, der die Kacke seines Hundes mit einem Stück Zeitungspapier vom Bürgersteig aufhob und in einen Abfalleimer warf. Und alles war so ganz normal, völlig alltäglich.« Gerschon versuchte, immer noch mehr Kleider und Broschüren in seinen kleinen Koffer zu stopfen. Meist half ihm seine Frau beim Packen, doch heute früh war sie so in ihrem dermaßen echten und derart detaillierten Traum gefangen, dass sie nicht einmal auf die Idee kam, ihm Hilfe anzubieten. In der echten Welt hatte der Traum an sich wohl nicht länger als zehn Sekunden gedauert, aber sie brachte es fertig, ihn in einer solchen Länge und Breite zu erzählen, dass es Gerschon bis an den Rand der Tränen trieb. In drei Stunden sollte er nach New York

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