Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
Vom Netzwerk:
irgendwie in seiner Stimme niederschlagen wird. »Hilleli«, sagt er durch das Lächeln hindurch, »Hilleli, mein Schatz, komm, wir fangen an zu gehen, bevor es spät wird. Heute gibt es im Kindergarten Pfannkuchen zum Frühstück, und wenn wir nicht rechtzeitig hinkommen, werden die anderen Kinder dir deinen wegessen.«
Ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will
    Bis Na’ama und er sich getrennt hatten, hatten sie streng darauf geachtet, dass Hillel kein Fernsehen schaute. Na’ama fing damit an, hatte irgendwas in der »Ha’arez« darüber gelesen, und Gilad setzte es fort. Es hatte vernünftig geklungen. Doch nach ihrer Trennung waren sie nicht mehr da, um aufeinander aufzupassen. Überhaupt, wenn du allein bist, hast du weniger Energie, konsequent zu sein. Jedes Mal wenn du nachgibst, hast du das Gefühl, es sei ja der andere Elternteil, der nachher dafür bezahlen müsste oder der wenigstens zur Hälfte daran beteiligt sei, was den Preis mit einem Mal erträglicher macht. Ein bisschen so wie einen Zigarettenstummel im Treppenhaus statt zu Hause wegzuwerfen. Und jetzt, wo sie kein Zuhause mehr hatten, das heißt, nicht mehr das eine für sie beide, machten sie ungehemmt Dreck.
Ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will
    Die Sendung, die Hillel gerne sah, wenn er bei Gilad blieb, war eine japanische Animationsserie von einem Jungen mit Zauberkräften, der Toni hieß. Die Mutter dieses Jungen, die eine Fee war, hatte ihm einmal beigebracht, wenn er nur die Augen schließen und oft genug »ich will« sagen würde – würde alles, was er sich wünschte, wahr werden. Manchmal brauchte Toni weniger als eine Sekunde, um seine Wünsche zu verwirklichen, doch wenn das nicht passierte, erklärte ihm seine Feenmutter, dass es nicht deswegen war, weil er gescheitert sei, sondern dass er einfach nicht oft genug »ich will« gesagt habe. Und so konnte Toni fast eine komplette Sendung lang ungebrochen mit geschlossenen Augen und »ich will ich will ich will« verbringen, bis der Zauber funktionierte. Hinsichtlich der Produktionskosten war diese Idee extrem sparsam, denn in jeder Folge konnte man den Shot von Toni mit der glänzenden Schweißperle auf der Stirn, wie er pausenlos murmelte »ich will ich will ich will«, wiederverwenden. Die gleiche Einstellung, immer wieder und wieder, in jeder Folge. Es trieb einen zum Wahnsinn, dazusitzen und das mit anzusehen, aber Hillel war völlig fasziniert davon.
Ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will
    Gilad lächelte wieder. »Das nützt nichts, Hilleli«, sagte er. »Es wird auch nichts helfen, wenn du es eine Million Mal sagst. Wir können nicht mit dem Autobus zum Kindergarten fahren, weil es zu nah ist. Er ist hier, am Ende der Straße. Und da fährt kein Autobus hin.«
    »Das nützt schon was«, sagte Hillel. Und obwohl er zu murmeln aufhörte, blieben seine Augen geschlossen, und auch die Stirnfalte blieb. »Wirklich, Papa. Das hilft, ich hab’s bloß noch nicht genug gesagt.« Gilad dachte daran, diese Lücke im Gemurmel auszunutzen, um irgendeinen verlockenden Vorschlag einzuschleusen. Eine Bestechung. Vielleicht einen Schokokuss. Es gab einen kleinen Lebensmittelladen gleich neben dem Kindergarten. Na’ama erlaubte keine Schokoküsse am Morgen, aber das war jetzt unwichtig. Na’ama erlaubte es nicht, aber Gilad erlaubte es eben. Das war eine Sondersituation. Dieser Gedankengang lief schnell ab, doch bevor es Gilad gelang, den Schokokuss anzupreisen, begann Hillel wieder zu murmeln.
Ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will ich will
    Gilad verkündete den Schokokuss. Er sagte es ein paarmal hintereinander. Schokokuss. Schokokuss. Schokokuss. Mit lauter Stimme. Dicht an Hillels Ohr. Wäre Na’ama dabeigewesen, hätte sie Gilad aufgefordert, er solle aufhören, ihn anzuschreien, und erschüttert ausgesehen. Sie war gut in so was. Erschüttert dreinzuschauen. Ihn dazu zu bringen, dass er sich im gegebenen Moment als prügelnder Vater oder gestörter Ehemann oder bloß einfach als Scheißkerl fühlte. Auch das war eine Art Talent. Zauberkraft. Ein schwacher Zauber zwar, schwach und irritierend, aber nichtsdestotrotz Zauber. Und welche übernatürlichen Kräfte konnte Gilad dem

Weitere Kostenlose Bücher