Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

das Wohl von Josef, wie der Thai hieß, und das Wohl seiner Familie und anschließend auf das Wohl des Staates. Und Madscha, die schon ein wenig beschwipst war, versuchte sich zu entsinnen, wie viele Jahre schon vergangen waren, seitdem sie zum letzten Mal auf das Wohl des Staates angestoßen hatte.
    Nachdem sie die Proviantkörbe gänzlich geleert hatten, fragte sie der Große, was sie von ihrem Essen halte, und Madscha erwiderte, es sei ausgezeichnet. »Sehr schön«, lächelte der Große, »freut mich. Und jetzt bitte die Speisekarte vom Lokal.« Im ersten Moment begriff Madscha gar nicht, was er wollte, vielleicht wegen des Wodkas, aber der Große beeilte sich zu erklären: »Sie sind mit uns zusammengesessen und haben unser Essen gegessen. Jetzt ist es Zeit, dass wir bei Ihnen sitzen und Ihr Essen essen.«
    Sie bestellten von der Karte wie nichts und aßen gierig. Salate, Suppen, Fleisch und hinterher sogar noch einen Nachtisch. Wenn sie gewusst hätte, dass sie bestellen würden, hätte sie nicht so viel getrunken. Doch trotz des Alkohols, vielleicht im Grunde sogar wegen ihm, ging die Arbeit in der Küche entspannt und leicht von der Hand. Sogar Josef, der noch betrunkener zu sein schien als sie, verpfuschte nichts. »Ihr Essen schmeckt gut, meine Dame«, sagte der Große, als er die Geldbörse zückte, um zu bezahlen. »Sehr gut. Sogar besser als unsres.« Und als er die Scheine fertig gezählt hatte und sie auf den Tisch legte, fügte er hinzu: »Ihr Mann, wann kommt er aus dem Ausland zurück?« Madscha zögerte einen Moment, bevor sie antwortete, und dann sagte sie, das sei noch nicht klar, alles hänge von seinen Geschäften dort ab. »Ist weggefahren und hat die Frau einfach so alleingelassen?«, der Große schnalzte leicht vorwurfsvoll und bekümmert mit der Zunge, »das ist nicht in Ordnung.« Und Madscha, die eigentlich sagen wollte, das sei schon in Ordnung, alles sei in Ordnung, wirklich, und sie komme auch so sehr gut zurecht, ertappte sich dabei, dass sie zustimmend nickte und lächelte, als glänzten ihre Augen nicht vor Tränen.

Mehr Leben
    Hört euch eine verrückte Geschichte an. Eineiige Zwillingsbrüder aus Jacksonville, Florida, lernten eineiige Zwillingsschwestern aus Daytona kennen, was auch in Florida liegt und nach amerikanischen Begriffen nicht besonders weit weg ist. Sie lernten sich übers Internet kennen. Das heißt, am Anfang lernte sich nur ein Pärchen kennen, Todd und Nicki, und als Todd Nicki zum Essen nach Hause mitbrachte, war sein Zwillingsbruder Adam richtig Feuer und Flamme. Und da erzählte ihm Todd, dass sie eine Schwester hatte. Nicht bloß so eben eine Schwester, eine eineiige Zwillingsschwester. Todd und Nicki arrangierten dieses Blind Date. Obwohl es fast ein bisschen schwerfällt, das ein Blind Date zu nennen, da sowohl Adam als auch Michelle haargenau wussten, wie die zweite Seite aussehen würde. Und um die Befangenheit abzumildern, machten sie ein Doppeldate aus dieser Verabredung und gingen zu viert einen Film in einem Drive-in anschauen. Und in welchen Film gingen sie? Nein, nicht in »Twins« mit Schwarzenegger und DeVito. Sie sahen sich »Gefährliche Liebschaften« an. Stellt euch das vor. Und trotzdem war das Date ein Erfolg. Die Zwillingsschwestern hatten sich extra die Mühe gemacht, Kleider in unterschiedlichen Farben anzuziehen, damit sie leichter voneinander zu unterscheiden waren. Die Zwillingsbrüder kamen in Jeans und weißen T-Shirts und sahen bis aufs i-Tüpfelchen gleich aus. Nach dem Film gingen sie in einen Diner, und in irgendeinem peinlichen Augenblick, an den sie sich noch Jahre danach erinnern würde, küsste Nicki aus Versehen Adam, weil sie dachte, er sei Todd.

    Wenn ihr einen Partner oder eine Partnerin trefft und verliebt seid, was ist die stärkste Empfindung, die ihr habt? Ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber in diesen Augenblicken verspüre ich immer das Gefühl, dass ich mit jemandem zusammen bin, den es nur einmal auf der Welt gibt. Doch als sich Michelle und Adam in dem Diner gegenübersaßen, was genau fühlten sie da? Dass es auf dieser Welt niemand wie Adam gab? Dass es keine an diesem Tisch gab wie Michelle? Was auch immer, am Schluss endete es mit Heiraten. Obwohl, das ist eigentlich nicht exakt. Am Schluss endete es mit Mord, aber irgendwo in der Mitte durchlief es das Heiratsstadium.

    Michelle und Adam heirateten ein Jahr, nachdem Todd Nicki den Ring an den Finger gesteckt hatte. Eineiige Zwillingsschwestern,