Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)
sie mich nicht will. Wo sie nein zu mir sagt. In einigen auf schonende Art, in anderen in verletzender Form. Sie interessieren mich alle nicht. Damit bleiben nur noch die übrig, in denen sie ja zu mir sagt, und ich wähle eins davon aus, ein bisschen so wie man eine Frucht im Gemüseladen aussucht. Am schönsten, am reifsten und am süßesten. Es ist ein Universum mit perfektem Wetter. Nie zu heiß oder zu kalt, und wir leben darin in einer kleinen Hütte im Wald. Sie arbeitet in der städtischen Bücherei, vierzig Minuten Fahrt von unserem Häuschen, und ich arbeite im Bildungssektor des Gemeinderats in einem Gebäude gegenüber dem, wo sie arbeitet. Vom Fenster meines Büros aus kann man sie manchmal sehen, wie sie Bücher in die Regale zurückstellt. Mittags essen wir immer zusammen. Und ich liebe sie, und sie liebt mich. Und ich liebe sie und sie mich. Und ich liebe sie und sie mich. Ich würde alles dafür geben, in dieses Universum umzuziehen, aber einstweilen, bis ich den Weg gefunden habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als daran zu denken, was auch nicht grade wenig ist. An dieses Ich zu denken, das dort mitten im Wald lebt, mit ihr, in vollkommenem Glück. Es gibt endlos viele Paralleluniversen auf der Welt. In einem davon betreibe ich jetzt Geschlechtsverkehr mit einem Pferd, in einem habe ich den großen Preis im Lotto gewonnen. An die will ich jetzt nicht denken, nur an das eine, an dieses Universum mit dem Haus im Wald. Es gibt ein Universum, in dem ich mit aufgeschnittenen Adern verblutend auf dem Schlafzimmerboden liege. Das ist das Universum, in dem ich dazu verurteilt bin zu leben, bis es zu Ende ist. An das will ich jetzt nicht denken. Nur an dieses eine. Ein Haus im Wald, Sonnenuntergang, früh schlafen gehen. Im Bett, mein rechter Arm ist unversehrt und trocken, liegt sie auf mir, und wir umarmen uns. Sie liegt so lange auf mir, dass ich allmählich aufhöre, sie zu spüren. Aber ich rühre mich nicht, ich fühle mich wohl so, mit dem Arm unter ihrem warmen Körper, und ich fühle mich weiter wohl, auch als ich ganz aufhöre, meinen Arm überhaupt noch zu spüren. Ich fühle ihren Atem auf meinem Gesicht, regelmäßig, stetig, nicht endend. Meine Augen fangen jetzt an sich zu schließen. Nicht nur in jenem Universum im Bett, im Wald, auch in anderen Universen, an die ich jetzt nicht denken will. Ich fühle mich wohl in dem Wissen, dass es einen Ort gibt, im Herzen eines Waldes, an dem ich jetzt glücklich einschlafe.
Aufwertung
Ich rede zu viel. Manchmal tritt dieser Moment ein, in dem ich rede und rede und rede, und mitten im Reden fällt mir auf, dass der Mensch neben mir schon gar nicht mehr zuhört. Er fährt fort zu nicken, aber seine Augen sind völlig glasig. Er denkt an etwas anderes, etwas Besseres als das, was ich zu sagen habe. Ich könnte dieser Wahrnehmung natürlich widersprechen. Ich kann in allem anderer Meinung sein. Meine Frau behauptet, ich sei imstande, mit einer Tischlampe zu diskutieren. Ich könnte, doch es hat keinen Sinn. Der Mensch hört mir nicht mehr zu. Er ist in einer anderen Welt. Einer besseren, wenigstens seiner Meinung nach. Und ich? Ich fahre fort zu reden und zu reden und zu reden. Wie ein Auto, dessen Handbremse angezogen ist, dessen Räder blockiert sind, und das trotzdem auf der Fahrbahn weiterschlittert. Ich würde gerne aufhören zu reden, aber die Wörter, die Sätze, die Ideen haben die Trägheit der Masse in sich. Man kann sie nicht einfach auf der Stelle anhalten, die Lippen verschließen und aufhören, sie zu sagen, bloß so, mitten im Satz. Es gibt Menschen, die sind in der Lage, das zu tun, ich weiß. Hauptsächlich Frauen. Wenn sie das machen, löst das bei demjenigen, der sich neben ihnen befindet, Schuldgefühle aus, bringt ihn dazu, sich nach vorn beugen, sie umarmen und sagen zu wollen: »Tut mir leid.« Zu sagen: »Ich liebe dich.« Ich wäre bereit, auf ein Auge zu verzichten, um dazu fähig zu sein, das zu tun, dieses Anhalten. Ich würde es sehr sehr gut nutzen. Ich würde bei den lohnendsten Mädchen zu reden aufhören, und sie würden mich umarmen, zu mir sagen wollen: »Ich liebe dich.« Und auch wenn sie es am Ende nicht tun würden, allein die Tatsache, dass sie es wollten, wäre schon was wert. Eine Menge.
An jenem Tag schaffe ich es nicht, bei einem Mann aufzuhören zu reden, der Mikel heißt. Er ist Graphikdesigner einer orthodoxen Zeitung in Brooklyn und von New York nach Louisville, Kentucky, geflogen, um mit seinem Onkel
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