Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)
geändert hätte. Aber der Kerl hatte seine Seele schon ins siebte Firmament expediert, und da geh mal einer hin und such ihn.
Der Engel nahm einen langen Atemzug. »Bloß Weltfrieden«, murmelte er vor sich hin. »Bloß Weltfrieden.«
Und während all das geschah, hatte es Schakedis Seele bereits geschafft zu vergessen, dass sie einmal jemand namens Schakedi gewesen war, und sie reinkarnierte, rein und geläutert, zweiter Hand so gut wie neu, in einer Frucht. Ja, eine Frucht. Eine Guajave.
Die neue Seele hatte keine Gedanken. Eine Guajave hat keine Gedanken. Aber sie fühlte. Verspürte grauenerregende, entsetzliche Angst. Sie hatte Angst, vom Baum zu fallen. Sie hatte keine Worte, um diese Angst zu beschreiben. Aber hätte sie welche gehabt, wäre das garantiert etwas im Stil von »Mamilein, bloß nicht fallen« gewesen. Und während sie an dem Baum hing und sich fürchtete, begann auf der Welt Frieden zu herrschen. Die Menschen schmiedeten ihre Schwerter zu Pflugscharen um, und Atomreaktoren wurden flink und klug zu Friedenszwecken umgemodelt. Doch all das beruhigte die Guajave in keinster Weise. Denn der Baum war hoch, und die Erde schien fern und schmerzhaft. Bloß nicht fallen, bangte die Guajave wortlos, bloß nicht fallen.
Das Überraschungsfest
Drei Leute warten an einer Tür mit Intercom-Anlage. Ein merkwürdiger Augenblick. Um es treffender zu sagen, ein unbeholfener, unbehaglicher Augenblick.
»Auch zu Avners Geburtstag?«, fragt einer von ihnen mit ergrautem Schnurrbart den, der auf die Summertaste gedrückt hat. Der gedrückt hat, nickt. Auch der dritte, ein Großer mit einem Pflaster auf der Nase, nickt. »Wallah«, knetet sich der Schnurrbärtige mit nervöser Bewegung den Hals, »sind Sie Freunde von ihm?« Beide nicken. Eine weibliche Stimme quäkt aus der Sprechanlage:
»Kommen Sie rauf, kommen Sie rauf, einundzwanzigste Etage.« Und danach – das Summen, das die Tür aufgehen lässt. Im Aufzug gibt es nur einundzwanzig Stockwerke. Unser Avner wohnt im Penthouse. Auf dem Weg nach oben bekennt der Schnurrbärtige, dass er ihn nicht wirklich kennt. Er ist einfach der Leiter der Bankfiliale in Ramat Aviv, wo Avner und Pnina Kamzan ein Konto haben. Er hat sie nie persönlich getroffen, hat die Filiale erst vor zwei Monaten übernommen, hat davor eine andere Zweigstelle, eine kleinere, geführt, in Ra’anana. Deshalb war er überrascht, als Pnina anrief, um ihn zu diesem Fest einzuladen, aber sie bestand darauf, sagte, Avner würde sich sehr freuen. Auch der mit dem Nasenpflaster ist, wie sich herausstellt, nicht wirklich ein enger Freund. Er ist der Versicherungsagent des Ehemanns, hat ihn bloß ein paarmal getroffen. Und auch das ist schon geraume Zeit her. In den letzten Jahren haben sie alles über E-Mails erledigt. Der, der auf die Summertaste gedrückt hat, gutaussehend trotz zusammengewachsener Augenbrauen, kennt sie am besten. Er ist ihr Zahnarzt. Er hat Pnina vier Löcher plombiert und ihr auch eine Krone an einem der Backenzähne gemacht, und bei Avner war er gezwungen, zwei Zähne zu ziehen plus eine Füllung und eine Wurzelbehandlung vorzunehmen, doch es lässt sich nur schwerlich sagen, dass er ein Freund ist. »Merkwürdig, dass sie uns eingeladen hat«, sagt der Schnurrbärtige.
»Es ist sicher ein großes Ereignis«, stellt der mit dem Pflaster fest.
»Ich hatte schon daran gedacht, nicht zu kommen«, beichtet der mit den zusammengewachsenen Augenbrauen, »aber Pnina ist so empfindlich.«
»Ist sie hübsch?«, fragt der Schnurrbärtige. Das ist keine Frage, die ein Bankfilialleiter stellen sollte, das weiß er. Der mit den Brauen nickt und zuckt gleichzeitig die Achseln, als wollte er sagen, ja, aber was haben wir schon davon?
Pnina ist wirklich hübsch. Sie ist über vierzig und sieht genauso alt aus, wie sie ist, mit beginnenden Falten, ohne irgendwelche Operationen, die das Alter heruntersetzen. Wenn man jede Frau mit einer männlichen Sexualphantasie versehen kann, denkt der Schnurrbärtige, während er ihre lose Hand drückt, dann ist die, die zu Pnina passt, »das Fräulein in Bedrängnis«. Sie hat so etwas Unsicheres, Hilfsbedürftiges an sich. Außer den dreien ist, wie sich herausstellt, noch niemand eingetroffen. Nur die Cateringleute, die noch und noch riesige, mit Alufolie abgedeckte Schüsseln neben vollbeladenen Tabletts mit Appetithäppchen abstellen. Nein, beruhigt sie Pnina, sie seien nicht zu früh dran. Es seien einfach bloß die anderen, die sich
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