Ploetzlich Liebe
zu Morgan zu halten. Unsere Shoppingtrips und Sonnenbäder hatten mich derart eingelullt, dass ich gedacht hatte, wir könnten Freundinnen sein. Aber seit ich gesehen habe, wie sie Brooke behandelt, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich das wirklich will.
»Okay, ich geh jetzt.« Diese Ankündigung verlangt nach Beachtung, also schaue ich von meinem Buch auf.
»Ich wünsch dir ganz viel Spaß«, ich versuche zu lächeln. Morgan strahlt zurück, setzt sich eine Baseballkappe auf und macht einen Knoten in den Kordelzug ihrer Schlabberhose. Offenbar eignet sich das Outfit, mit dem sie in der Wohnung herumläuft, auch zum Verreisen.
»Ruf mich an, wenn es Klatsch gibt«, fordert sie, umarmt
mich zum Abschied und schleppt dann eine riesige Reisetasche zur Tür hinaus.
»Mach ich!«
Ich warte am Fenster, bis ich ihr Cabrio wegfahren sehe, erst dann widme ich mich meinen Geschenken. Das braune Papier und die dicken Umschläge sind schnell aufgerissen. Mum hat Geld geschickt, Elizabeth ein Handwörterbuch für Juristen und mein Vater hat mir ein Füllhalterset inklusive Kalligrafiefedern und Tinte geschickt, das teuer aussieht. Ich baue alle Geschenke auf meinem Schreibtisch auf, und als ich sie ansehe, so neben meiner Sonnencreme und dem Stapel DVDs, fühle ich einen seltsamen Stich, den ich nicht so recht einordnen kann.
Mein Handy klingelt, und als ich rangehe, ist da so ein völlig ungewohntes amerikanisches Kreischen in der Leitung. »Herzlichen Glückwunsch!«
»Wer ist … Moment mal, Natasha?«, frage ich und schiebe die Geschenke in eine Schublade.
»Wer sonst!«
»Oh, wow, hi!«
»Ist komisch, persönlich miteinander zu reden, nicht?« Sie lacht. »Du klingst ganz so, wie ich dachte!«
»Englisch. Meinst du das?«, ziehe ich sie auf.
»Verdammt, ja, obwohl da was Amerikanisches durchklingt …«
»Kann nicht sein!«
»Doch, doch.« Im Hintergrund höre ich Lärm von Menschen und Straßenverkehr und ich stelle mir Natasha frierend vor einer Bibliothek vor. »Und?«, sagt sie, als würden
wir uns schon ewig kennen, »hat Morgan dich schon mit einer Party überrascht?«
»Nein, ist noch immer alles streng geheim. Außer Carla weiß, glaube ich, niemand davon.«
»Und wenn schon, du musst was Besonderes unternehmen. Denk an deinen Plan … locker machen, Spaß haben. Ich würde sagen, dein Geburtstag ist der ideale Anlass dafür.«
»Vielleicht …«
»Ganz bestimmt. Aber jetzt muss ich mich beeilen, ich wollt nur schnell persönlich gratulieren.«
»Das ist echt süß«, sage ich gerührt. »Und du, wie geht es dir?«
»Alles bestens. Ich will mich gerade mit Will treffen, wir gehen auf eine Expedition.«
»Wirklich? Das klingt … abenteuerlich.«
»Ernsthaft! Wenn du nichts mehr von mir hören solltest, schick Suchtrupps aus, okay?«
»Okay.« Ich lache. »Viel Spaß!«
»Wünsch ich dir auch!« Sie legt auf, zweifellos, um zu ihrem wilden Abenteuer aufzubrechen. Ein bisschen neidisch bin ich schon. Natürlich sind die Gründe für ihre Englandreise schrecklich, aber Natasha hat sich so locker in ihre neue Identität in Oxford eingelebt, dass ich mir ein bisschen erbärmlich vorkomme. Sie rettet das Frauengesundheitscenter und gewinnt Carrie und Co. für sich, während ich einfach nur versuche zu entspannen.
Ein kleines Geräusch zieht mich wieder an meinen Computer. Ich klicke mich zu den E-Mails durch, vielleicht sind ja noch mehr Geburtstagsgrüße gekommen und …
Sebastian.
Einen Moment lang rühre ich mich nicht. Ich sitze einfach nur da – wie vor meinem Monitor erstarrt. Ich glaub das nicht. Ausgerechnet jetzt meldet er sich? Nach so langer Zeit? Jetzt, wo diese Leere in meiner Brust endlich weg ist, wo ich mir nicht mehr ständig wiederhole, was er gesagt hat?
Jetzt, wo ich über ihn hinweg bin?
Ich öffne die Nachricht und überfliege die wenigen kurzen Zeilen.
Herzlichen Glückwunsch, Emily – weißt du noch, wie wir letztes Jahr gefeiert haben? Wie läuft es so? Ich würde wirklich gern von dir hören.
Sebastian
Keine Entschuldigung, kein »Du fehlst mir«, nur ein paar hingeworfene Wörter, die sowohl die ganze wunderbare Zeit als auch die Entfernung zunichte machen, die ich zwischen uns gelegt habe. Seit Wochen habe ich nicht an ihn gedacht, aber diese paar Zeilen holen mich ein ganzes Jahr zurück, als wir noch kein Paar waren und unsere eigene, ganz private Geburtstagsparty gefeiert haben. Als Geschenk hatte er mir eine ganze Staffel West Wing kopiert und wir
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