Plötzlich Prinz - Das Erbe der Feen
trat einen Schritt zurück, bevor sie traurig aber entschlossen hinzufügte: »Ich kenne meinen Platz. Und ich werde nicht zulassen, dass du meinetwegen auch noch verbannt wirst.«
Als sie sich abwandte, sprang Keirran auf und stellte sich so dicht hinter sie, dass er sie fast berührte. »Ich fürchte mich nicht vor dem Exil«, beteuerte er leise. Das Sommermädchen schloss gequält die Augen. »Und es ist mir egal, was die Herrscher sagen. Meine Eltern haben diese Gesetze auch gebrochen, und sieh doch, wo sie heute stehen.« Er hob die Hand und strich vorsichtig über ihren Zopf, wodurch er mehrere Schmetterlinge aufscheuchte. »Ich würde dasselbe auch für dich tun, wenn du mir nur eine Chance …«
»Nein, Prinz Keirran.« Annwyl fuhr herum, und ihre Augen glänzten verdächtig. »Ich werde dir das nicht antun. Auch wenn ich mir wünschte, die Dinge würden anders liegen, aber wir können nicht … Die Herrscher würden … Es tut mir leid.«
Fluchtartig rannte sie davon, sodass Keirran ganz allein unter dem mächtigen Baum zurückblieb. Er rieb sich mit einer Hand die Augen, dann lehnte er sich wieder gegen den Stamm und starrte ins Leere.
Vorsichtig schlich ich in den Korridor zurück. Ich kam mir vor wie ein Eindringling, der etwas beobachtet hatte, das nicht für ihn bestimmt gewesen war. Doch mein Verdacht hatte sich bestätigt: Meghan verbarg tatsächlich etwas vor uns. Darüber würde ich unbedingt mit ihr reden müssen – sie sollte mir verdammt noch mal erklären, warum sie es für so wichtig hielt, ihre Familie im Unwissenden zu lassen.
Aber zuerst musste ich Kenzie suchen, und zwar noch vor diesem Ritual. Sie musste erfahren, was es bedeutete, mit dem Blick gestraft zu sein, und was die Feen jenen antaten, die sie sehen konnten. Wäre sie sich der Konsequenzen bewusst gewesen, hätte sie sich bestimmt nie auf diesen Handel eingelassen.
Doch tief in meinem Inneren ahnte ich, dass ich mir etwas vormachte. Kenzie hatte ganz genau gewusst, worauf sie sich einließ, und hatte sich trotzdem dafür entschieden.
Ich stöberte sie schließlich in der Bibliothek auf, wo sie zwischen zwei hohen Regalen an der Wand lehnte. Als ich ihre Regalreihe betrat, blickte sie hoch. Durch den dicken Wälzer in ihren Händen wirkte sie irgendwie noch kleiner. Wieder meldete sich dieses seltsame, fremdartige Gefühl in meinem Bauch, doch ich ignorierte es.
»Hey«, begrüßte sie mich mit einem zögernden Lächeln, als wäre sie nicht sicher, ob ich böse auf sie war. »Ist deine Stimme schon wieder da?«
»Ja.« Das klang schroffer als beabsichtigt, aber ich machte trotzdem weiter: »Ich muss mit dir reden.«
»Das dachte ich mir schon.« Seufzend schob sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Dann starrte sie einen Moment lang auf ihr Buch. »Ich nehme an … du willst wissen, warum ich dem Handel zugestimmt habe.«
»Warum?« Ich schob mich in den engen Gang hinein. »Warum denkst du, dein Leben sei eine angemessene Handelsware im Austausch gegen etwas, das du nie hättest zu Gesicht bekommen sollen?« Die Wut kehrte zurück, ich konnte allerdings nicht sagen, ob sie sich gegen Kenzie, Leanansidhe, Keirran oder etwas ganz anderes richtete. »Das ist kein Spiel, Kenzie. Du hast gerade dein Leben verkürzt, weil du einen Teil davon an eine Fee verkauft hast. Und glaub bloß nicht, sie wird den Preis nicht einfordern, das tun sie immer.«
»Ein Monat, Ethan. Höchstens zwei. Langfristig gesehen wird das keine Rolle spielen.«
»Es ist dein Leben!« Ich raufte mir frustriert die Haare. Warum weigerte sie sich, das einzusehen? »Was wäre denn zu viel gewesen, Kenzie? Ein Jahr? Zwei? Wärst du vielleicht auch ihr ›Lehrling‹ geworden? Hättest immer mehr Teile deines Lebens gegen die Inspiration eingetauscht, die sie zu bieten hat? Denn genau so macht sie das, weißt du? Und jeder Mensch, dem sie hilft, stirbt eines vorzeitigen Todes. Oder er wird zum Gefangenen in diesem irren Haus zwischen den Welten, wo er sie für alle Ewigkeit unterhalten darf.« Wütend schlug ich auf ein Regalbrett. »Ich kann nicht mit ansehen, wie das aus dir wird.«
Wir schwiegen. Unsicher zupfte Kenzie an den Buchseiten. »Hör mal«, sagte sie schließlich, »mir ist klar, dass du so ziemlich alles über Feen weißt, aber wenn es um mich geht, gibt es ein paar Dinge, von denen du keine Ahnung hast. Ich rede nicht gerne darüber, weil ich niemanden belasten will, aber …« Mit angespannter Miene kaute sie auf ihrer Unterlippe
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