Plötzlich Royal
Gewicht verleihen.
Der älteste Royal stand aus dem Rollstuhl auf, um die kleine improvisierte Gedenkstätte der Foot Guards zu ehren. Die Kameras waren uns Royals gefolgt. Wir hielten am Feldzeichen kurz inne und neigten unsere Köpfe, die Fotoapparate surrten und klickten. Dann gingen wir weiter auf der Mall. Auch hier standen Kreuze und waren Blumensträuße an die Bäume angelehnt. Links lag das Eingangstor zum St. James’s Palace und der Absperrzaun mit einer Sicherheitsschleuse befand sich nun nur noch zwanzig Meter entfernt. Die Menge auf der anderen Seite des Zauns – zumeist junge Männer im Studentenalter – hatte aufgehört, „Sascha! Sascha!“ zu skandieren. Etwas weiter hinten in der Menge wurde eine Regenbogenfahne hochgehalten. Die Leute in der vordersten Reihe am Zaun beobachteten uns neugierig. Polizisten überwachten die Szenerie mit strengem Blick.
„Bitte nicht zu nahe an die Menge treten, Majestät, Königliche Hoheiten, wir müssen hier erst sichern“, warnte ein hochrangiger Offizier.
„Wäre es nicht besser, eine Delegation in der Sicherheitsschleuse zu kontrollieren? Dann könnte sich ja Seine Majestät hier und beim Denkmal mit den Leuten unterhalten“, schlug Prince Philip vor.
„Tut mir leid, der Bürgermeister bleibt in dieser Hinsicht hart.“
„Könnte es nicht sein, dass eventuell nicht diese jungen Männer auf der anderen Seite des Zauns, sondern der Bürgermeister dies als Kundgebung missbraucht? Sie wollen doch nur ihre Toten ehren!“, ärgerte sich nun der Duke of Edinburgh für die Kameras deutlich hörbar. Der Polizeioffizier zog es vor, darauf nichts zu sagen, und gab den Weg frei.
Mir war klar, dass sich auch Leute mit bösen Absichten unter die Schwulen gemischt haben konnten. Deshalb ging ich nicht durch die Schleuse hinaus, sondern nur an den Zaun. Man empfing mich mit Applaus. Ich erklärte den Zaungästen, dass der Lord Major, also der Bürgermeister von London, Demonstrationen im Trauerbereich verboten habe und jeden offenen Schwulen und jede offene Lesbe als Demonstranten betrachte. Ich musste den Leuten einige Male erklären, dass ich nicht direkt weisungsbefugt sei. Die Maschenweite des Zauns reichte nicht für ein vernünftiges Händeschütteln, aber Timm machte es vor: Für einen Faust-an-Faust-Gruß reichte es doch. Simon und ich übernahmen die Idee sofort, dann auch Harry. William zögerte zunächst, doch als seine Zukünftige auch mitmachte, musste er wohl oder übel. Nur die ältere Generation hatte doch zu viele royale Hemmungen. Prince Philip setzte sich nach ein paar Minuten wieder in den Rollstuhl und Prince William schob ihn zum Smalltalk an den Zaun.
Etwa nach einer Viertelstunde und mit bereits wunden Knöcheln winkte ich einen fast zwei Meter großen Student heran, der die auffällige Regenbogen-Fahne trug.
„Komm, schmeiß rüber und den Union Jack auch!“ Ich deutete auf ein Lesben-Paar, das die Fahne trug.
Noch bevor die Polizei begriffen hatte, was geschah, hatte ich den Regenbogen in der Hand und Simon den Union Jack. Ich tauschte schnell mit Simon. Die Symbolkraft wäre doch etwas zu heftig gewesen, wenn ich mit der Regenbogenflagge zurück zum Denkmal gezogen wäre.
„Besser so!“, meinte auch Prince Philip und wandte sich an die Zaungäste: „Können Sie die Nationalhymne?“
„Ja!“, freuten sich viele Stimmen.
„Wenn Sie Patriot sind, dann lassen Sie die Leute jetzt um Gottes willen durch.“ Der Prinz blickte den Polizeioffizier herausfordernd an.
„Na gut, durch die Schleuse, maximal hundert.“
Ich beobachtete, dass nicht getrickst und Pärchen von der Polizei abgelehnt wurden. Eine Limousine, es war die des Premiers, drängte sich zur Schleuse, musste jedoch um jeden Fußbreit Platz kämpfen, um sich gegen die trotzige Menge durchzusetzen. Auch auf der Innenseite der Schleuse bildete sich nun eine Menschenansammlung, die jedoch respektvollen Abstand zu den etablierten Royals hielt. Simon und Timm übernahmen die Begrüßung mit Umarmungen und allem Drum und Dran. Die Regenbogenfahne war inzwischen bei Harry hängen geblieben, der mit seiner freien Hand Chelsy hielt, die anscheinend inzwischen zu ihm gestoßen war. William durfte den Union Jack tragen.
„Majestät?“ Mr Grant trat mit einem Mobiltelefon in der Hand zu mir. „Die Leute vom Green Park stellen gerade Fahnenmaste auf dem Rasen zwischen Denkmal und Parkmauer auf. Der Union Jack in die Mitte, von links nach rechts Schweiz, Foot Guards, Union
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