Plötzlich Royal
ein paar Kulturdenkmäler zu besuchen. Von der versprochenen Audienz erwarteten wir uns wenig. Simon vermutete, man würde mir wohl nach der ungenehmigten Hochzeit den Verzicht auf meinen Platz in der Thronfolge nahelegen, oder war er zu pessimistisch? Wirklich gut fühlte ich mich nicht, als unser Flugzeug die Britischen Inseln erreichte und im Anflug auf London sank.
Die Daily World hatte uns rechtzeitig zum Eintreffen auf die Titelseite gesetzt. Ich war mir nicht sicher, ob das für mich ein Vorteil war oder Sir Geoffrey nur provozieren würde. Aber das Blatt berichtete ungewöhnlich wohlwollend über mich und Simon. Das half zumindest, die öffentliche Meinung auf unsere Seite zu ziehen. Die war zwar Sir Geoffrey bestimmt egal, aber für die britische Regierung wichtig.
„Mal ehrlich, warum hilfst du uns? Sonst ist die Daily World ja nicht auf der Seite von Lesben und Schwulen“, fragte ich Kern.
„Wenn wir euch beide unmöglich gemacht hätten, wäre das eine Auflage gewesen und Schluss. Die Royals gibt es, weil wir, die Presse, es so wollen. Wenn wir es wollten, schrieben wir die Monarchie in fünf Jahren weg. Merk dir das!“
„Also war Saschas frecher Spruch vom Porno gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt?“, fragte Simon.
„Das Königshaus ist eine Seifenoper und ihr seid das Thema der nächsten Staffel. Das ist die Wahrheit über die Royals, blonde, blauäugige Buben.“
Vielleicht brauchte der Paparazzo diese vulgäre und zynische Sicht auf die Royals, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Kern meinte es anscheinend ernst. Mit einem schwulen Paar wollte er die Royals zu ein paar Peinlichkeiten provozieren, aber war meine Motivation wirklich so anders? Ich rechnete ja nicht ernsthaft mit dem Thron. Ging es mir nur darum, vor Kerns Linse auf dem Palast die Regenbogenfahne zu hissen, bevor mich die Security rausschmeißen konnte? Oder was versprach ich mir eigentlich vom Besuch in London?
Nach der Landung in London City Airport strömten wir mit allen anderen Passagieren zum Zoll.
„Sind Sie Zwillinge?“, fragte ein Zöllner mit einem Lächeln und wir beiden grinsten zurück. Ich hatte mir angewöhnt, etwas höhere Schuhsohlen zu tragen, um ebenso groß wie Simon zu sein. Wir frisierten uns auch gleich. Klar, ich hatte das frechere Gesicht als er, aber wir konnten Fremden echt glauben machen, wir seien Zwillinge.
Mit etwas Abstand nahmen uns zwei Fernsehteams ins Visier. Da erwartete uns auch schon Sir Geoffrey mit eiserner, disziplinierter Gentleman-Miene. Vor dem Sir aus dem Palast ging Simon hinter mir in Deckung. Ich begrüßte den Abgesandten des königlichen Haushalts mit britisch-kühler Höflichkeit; Simon traute sich nicht mehr als ein stummes Händeschütteln.
Das Londoner Wetter meinte es ungewöhnlich gut mit uns. Kumuluswolken drifteten vor blauem Himmel über die Insel. An der Taxivorfahrt stand auch der Rolls-Royce. John, der bullige Sicherheitsmann, half dem Chauffeur, die Koffer zu verstauen, während wir beiden gegenüber Sir Geoffrey mit dem Rücken zum Chauffeur Platz nehmen durften. John benutzte den Beifahrersitz. Der königliche Wagen fuhr los und versuchte durch den Londoner Verkehr voranzukommen.
„Sie haben mir mitgeteilt, dass Sie im neuen Alan-Turing-Hotel an der Old Compton Street residieren möchten. Ich habe mir erlaubt, Ihr Standard-Doppelzimmer in ein Apartment umzubuchen. So ganz glücklich ist der Palast jedoch nicht mit der Wahl Ihres Hotels. Der königliche Haushalt versteht sich ausgezeichnet darauf, es Gästen so angenehm wie möglich zu machen. Doch wir verstehen, dass für junge Leute wie Sie dieser Ort etwas Besonderes ist. Wir bitten Sie, nicht zu exzessiv in das bunte Leben dieser Straße einzutauchen.“
Es war nie die Rede davon gewesen, dass wir in einem der Paläste hätten wohnen dürfen. Deshalb empfand ich Sir Geoffreys leicht beleidigt vorgetragene Bemerkung als ziemlich verlogen.
„Könnten wir nicht die Plätze tauschen, Sir, mir wird schlecht gegen die Fahrtrichtung“, gestand Simon.
Sir Geoffrey schüttelte verständnislos den Kopf, tauschte aber trotzdem mit uns den Platz. Anschließend kramte er aus seiner Ledertasche zwei goldene Zigarettenetuis für uns heraus. Es handelte sich bei deren Inhalt jedoch um Visitenkarten. Danach war ich nun Seine Königliche Hoheit Prinz Alexander Duke of Dover, ich wurde also vom Viscount zum Duke befördert. „Sascha“ sei nur ein nicht hoftauglicher Kosename. Die Visitenkarte
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