Plötzlich Royal
Ian sein. Wir haben dir dein übliches Zimmer reserviert“, begrüßte er uns. Sir Geoffrey stand direkt hinter mir. „Okay. Escort hier bitte sehr diskret“, mahnte er und schien mich offenbar mit jemandem zu verwechseln. „Aber dieses Mal bitte keine aktive Werbung, keine Visitenkarten verteilen“, fuhr der etwas tuntige Typ an der Rezeption mit Blick auf mich und Sir Geoffrey fort.
„Sie verstehen die Situation falsch, junger Mann. Ich kenne keinen Ian“, protestierte nun Sir Geoffrey aufbrausend. „Meine Aufgabe ist es lediglich, darauf Acht zu geben, dass die beiden jungen Herren einigermaßen ihre Termine und Pflichten einhalten. Ich war sechsundzwanzig Jahre lang glücklich mit einer Frau verheiratet!“, sagte Sir Geoffrey pikiert und wandte sich nun an Simon und mich. „Der Rolls-Royce wird morgen um Punkt ein Uhr nachmittags hier vorfahren und eine Minute später mit Ihnen in einem Ihrer Majestät zumutbaren Anzug wegfahren. Sollte Ihre Kleidung nicht hoftauglich sein, werden Sie zum Flughafen gefahren. Meine Wenigkeit höchstpersönlich würde in 10 Downing Street vorsprechen, um Sie für immer aus der Thronfolge streichen zu lassen. John wird mich nun zum Palast begleiten. Wir wollen uns nicht um die Chance bringen, dass Sie entführt werden! Guten Tag, Hoheit!“
Er betonte das letzte Wort beleidigend ironisch, stolzierte hinaus, würdigte den noch mit dem Künstler redenden Simon keines Blickes und scheuchte mit seinem Schirm Jack Kern plus Fotografin zur Seite. Mir wurde bewusst, dass die Einladung seiner wohl verstorbenen Frau zu meiner Hochzeit ein ziemlich heftiger Tritt ins Fettnäpfchen gewesen war.
„Sorry, ich dachte wirklich, du …, äh … Hoheit seid … Ich wollte keine Staatskrise auslösen“, meinte der Typ hinter der Rezeption kleinlaut.
Es blitzte.
„Das ist wohl mein Stichwort. Ich interessiere mich für Staatskrisen“, meinte Jack Kern.
„Ich möchte das Zimmer sehen, ohne Presse. Danach essen mein Mann und ich im Restaurant gleich hier einen gemischten Salat, ein paar Fotos sind erlaubt. Wir werden uns nur zum Wetter äußern“, stellte ich klar.
Jack Kern nickte und setzte sich in einen der Designersessel. Der Typ von der Rezeption führte uns in den obersten Stock gleich unter dem Dach. Das Apartment hatte zwei Schlafzimmer, einen Salon, Bad und Kochnische. Bis auf das Bad war alles offen und nur durch angedeutete Wände voneinander getrennt. Das Haus war ein Stockwerk höher als die meisten anderen Gebäude, so dass unsere Blicke über die Dächer schweifen konnten. Die City mit ihren Hochhäusern konnte ich erkennen, auch Westminster Abbey und die Laterne der St Paul’s Cathedral ragten über der Stadt auf. Unter uns lag das bunte Treiben der schwulen Flaniermeile.
„Wir werden also hier wohnen und nicht im Palast!“, freute sich Simon, als wir zu zweit auf dem Balkon standen, tief unter uns wehte die Regenbogenfahne. Von unten fotografierte ein professionell ausgerüsteter Mann, der ein Daily-Mirror -T-Shirt trug. Ich war mir nicht sicher, doch dieser Mann könnte damals auf der Party gewesen sein, als Prince Harry alles ins Rollen brachte.
„Winken!“, rief der Mirror -Mann von unten.
Simon und ich taten ihm den Gefallen.
Wir machten uns gemeinsam im Bad etwas frisch, dann meldeten sich unsere Mägen.
Im Restaurant war die gemischte Salatplatte schon vorbereitet. Für die Presse setzten wir uns mit dem noch unberührten Teller nebeneinander auf eine Bank an der Wand. Es war nicht nur Kern da, es hatte fast den Charakter einer kleinen Pressekonferenz.
„Warum sind Sie hier und nicht in einem der Paläste abgestiegen, Simon?“, fragte einer der Reporter.
Simon zuckte erst zusammen, warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und traute sich dann doch zu antworten: „Weil wir ein schwules Paar sind und in unserem Privatleben gerne mal mit anderen Schwulen reden, nur reden.“
Ich fand es gut, dass Simon hier auswich. In Wahrheit waren wir gar nicht eingeladen worden.
„Wie ist nun Ihre sexuelle Orientierung, Eure Hoheit?“, fragte scheu die hübsche indische Journalistin eines Senders vom Subkontinent.
„Wir beide sind eine Civil Union für gleichgeschlechtliche Paare eingegangen, sowohl nach Schweizer als auch nach britischem Recht.“
„Die indische Tussi kann es eh nicht drucken“, stichelte Kern. „Im Turban-Club seid ihr als Schwule sowieso Unberührbare, abgesehen von einer gewissen Körperstelle unter der Gürtellinie.“ Prompt
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