Plötzlich Royal
dürfe ich erst nach der Audienz bei der Queen verwenden und der Sir betonte, es werde erwartet, dass Titel und Benehmen im Einklang miteinander stünden, besonders da die Anglikanische Kirche das Privatleben der neuen Nummer zwei mit größter Sorge verfolge. Die Dauerpredigt nervte und ich glaubte, mir würde auch bald schlecht. Zu allem Überfluss verlangte der Palast, dass wir unsere Schweizer Partnerschaft auch nach britischem Recht amtlich machten, also auf der Stelle eine Civil Union eingingen. Im Palast mussten wohl alle unglaublich nervös sein, dass man zu solch einer übereilten Maßnahme griff und der schweizerischen eingetragenen Partnerschaft misstraute. Nicht einmal ins Hotel durften wir zuvor. Einfach unglaublich!
Wir hielten zu dem Zweck bei einem Amt in irgendeiner typischen Londoner Straße an. Mich hätte es nicht gewundert, wenn wir durch eine rote Telefonzelle augenblicklich ins Ministerium für Magie gelangt wären. Doch es war nur ein normaler Flur mit Amtszimmern, an dessen Ende man in einen etwas dunklen, altehrwürdigen Saal trat, mit dem prominent aufgehängten Bild der Queen. Unter den Augen Ihrer Majestät fühlte ich mich klein und deplatziert.
Nachdem wir unsere Schweizer Urkunde sowie beide unsere britischen und Schweizer Pässe der Beamtin des Standesamts übergeben und Sir Geoffrey ihr weitere Unterlagen ausgehändigt hatte, begann die Beamtin vom Standesamt vorschriftsmäßig mit Belehrungen über Rechte und Pflichten. Ein eigentliches Ja-Wort war nicht vorgesehen, wir mussten nur Fotokopien unserer Pässe sowie der schweizerischen Partnerschaftsurkunde zurücklassen und verschiedene Urkunden und Formulare unterschreiben. Eine beglaubigte Urkunde durften wir mitnehmen, die verschwand jedoch gleich in Sir Geoffreys schwarzer Tasche. Wir kriegten nur eine gestempelte und zusätzlich unterschriebene Fotokopie des Exemplars der Standesbeamtin als Behelf. Mit einem Händedruck und kühler Gratulation verabschiedete sich die Beamtin, als hätten wir nur einen Grundbucheintrag geändert.
Dann fuhren wir ins Hotel. Eigentlich war die Old Compton Street eine Fußgängerzone, doch ein Rolls-Royce der Royals durfte selbstverständlich bis vor das Hotel fahren. Sir Geoffrey mahnte, das Einchecken hätte nun Priorität, und wollte uns wohl schleunigst aus der Schusslinie der Paparazzi bringen. Doch das ging nicht so schnell. Besonders Simon freute sich, an diesem Ort zu sein. Da musste man doch erst einmal tief durchatmen und sich umschauen. Das Hotel lag gegenüber dem berühmtesten Club überhaupt. Der Eingang war etwas eingeklemmt zwischen einem Restaurant und einem Pub. Eine große Regenbogenfahne wehte an der Hausfassade über dem Eingang. Wir Twens aus der Schweiz beobachteten neugierig die Leute in der Straße, während ein dreißigjähriger Angestellter vom Hotel mit dem Kofferwagen herausgeeilt kam. Nur ein einziges, offensichtlich schwules Paar konnten wir ausmachen. Die Männerquote auf der Straße war hier sicher höher als anderswo, doch eine Art Dauer-CSD war es nicht.
Sir Geoffrey fühlte sich sichtlich deplatziert. Er nickte einem Bobby zu und folgte uns beiden Jungen, als wir endlich durch den Eingang in den langen Flur traten, von dem rechts und links die Eingänge in den Pub und das Restaurant abgingen. In den oberen Ecken des Flurs führte ein Regenbogen dem Gang entlang. Darunter konnten wir direkt auf die Wand aufgemalte Porträts schwuler Berühmtheiten betrachten. An erster Stelle selbstverständlich Alan Turing, der im Zweiten Weltkrieg die deutschen Codes entschlüsselt hatte. Zu Sir Geoffreys Verdruss hatten wir es weiterhin nicht eilig. Simon und ich fachsimpelten über die abgebildeten Musiker wie Elton John, Politiker wie Harvey Milk und Klaus Wowereit.
Ein Künstler war gerade dabei, ein neues Porträt zu malen. Der Mann erschrak und grinste dann aus seinem runden schwarzen Gesicht, da das Original seines aktuellen Werkes gerade vor ihm stand. Auch hier musste etwas gequatscht werden und Sir Geoffreys Miene war über unserer Trödelei längst so sauer geworden, dass man keine Milch in seine Nähe hätte bringen dürfen. Ich ging deshalb mit dem nebelgrauen Sir weiter, während Simon noch mit dem Künstler sprach. Nach dem Flur öffnete sich die Lobby ziemlich bunt, Designermöbel waren hier angesagt, und es gab erstaunlich viel Platz. Ein trendig gestylter, etwa dreißigjähriger Möchtegern-Twink stand an der Rezeption.
„Hi, welch Sonnenschein! Du musst
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