Plötzlich Royal
Erlaubnis des Souveräns, sich von nun an Königliche Hoheit Prinz Alexander, Duke of Dover, zu nennen. Treten Sie vor, Prinz Alexander.“
Mit einem flauen Gefühl im Magen trat ich vor und übernahm die Mappe mit einer kleinen Verbeugung aus dem Genick: „Majestät, ich bin Euer treuer Gefolgsmann und werde alles tun, mich der hohen Stellung und Verantwortung würdig zu erweisen.“ Ich verbeugte mich nochmals nicht allzu tief und trat – wie vorhin geübt – drei Schritte zurück, bevor ich mich wieder an den alten Platz stellte.
Ein roter Schemel wurde nun vor der Queen platziert.
„Wir leben in einer Zeit des Wertewandels und Wir, die Königin, sind zur Einsicht gelangt, dass die neue Form des zivilrechtlich abgesicherten gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens auch vom Hof in angemessener Form anerkannt werden soll. Simon McTombreck soll …“ Die Queen beendete den Satz nicht, doch es war klar, was nun kommen würde. Simon kniete sich, wie es in Robin-Hood-Filmen üblich war, auf den roten Schemel, der einen Stützgriff besaß, da oft eher betagtere Personen den Ritterschlag erhielten. Die Queen erhob sich vom Thron, nahm vorsichtig das Schwert, fasste es mit beiden Händen und berührte damit Simons Schulter. Dort blieb es einen Moment zu lange liegen. Ein aufmerksamer Angestellter nahm ihr das Schwert, diskret an der Klinge gefasst, wieder ab und legte es zurück auf den Tisch.
„Erhebt Euch als Sir Simon McTombreck auf Grund Eurer zivilrechtlich legalisierten Verbindung mit Seiner Königlichen Hoheit Prince Sascha, Duke of Dover“, gab Ihre Majestät bekannt. „Die in dieser Mappe abgelegte Rede lasse man den Anwesenden in schriftlicher Form zukommen. So wünschen Wir den jungen Herren eine erfolgreiche Zukunft. Ich möchte mich zurückziehen.“
Simon musste eilig zur Seite treten, als die Queen sich erhob. Hastig wurde der Schemel von einem Angestellten und einem Fotografen weggezogen.
Alle verneigten sich, je nach Stand etwas tiefer, oder neigten nur den Kopf. Sie hatte die Zeremonie auf das Allernotwendigste verkürzt. Als Ihre Majestät den Raum verlassen hatte, standen alle etwas verloren da.
Mein Großvater Prinz George übernahm die Initiative und ging voran über den Flur in den in Pastellblau gehaltenen Salon mit einem großen prunkvollen Tisch, auf dem in einem in die Tischplatte eingelassenen Gemälde Nelsons Seeschlacht von Trafalgar dargestellt war. Eine Glasplatte schützte das unbezahlbare Kunstwerk. Eine Kammerzofe, die noch die Getränkefläschchen bereitstellte, hatte uns noch nicht erwartet und erschrak.
„Wir bedienen uns selbst. Sagen Sie Sir Wilfried Bescheid, dass wir dem Zeitplan etwas voraus sind.“ Die Kammerzofe eilte hinaus. Prinz George hieß uns beide ihm gegenüber am Prunktisch Platz zu nehmen, unter den gestrengen Augen Admiral Nelsons, der von einem Porträt aus den Salon überblickte. Sir Geoffrey zog es vor, uns, in der Nähe der Tür stehend, unauffällig zu beobachten.
„Diese Besprechung verzichtet auf Protokoll und ist formlos, aber strengstens vertraulich. Später wird Sir Wilfried noch zu uns stoßen, um uns ein paar Fragen zum Stammbaum und der Thronfolge zu erklären. Nochmals willkommen, wir hatten leider nicht oft die Gelegenheit, dich hier zu begrüßen, Sascha. Die katholische Heirat, du verstehst.“ Der Prinz, mein Großvater, lachte und sah uns beide abwechselnd an. „Wie zwei Magnete. Schon hat sich der Abstand zwischen euch beiden halbiert. Selten sind so ehrlich verliebte Leute hier im Palast gesehen worden. Im familiären Rahmen reden wir uns wie in Familien üblich an. Sind Leute im Frack im Saal, so verwenden wir unsere Titel; das noch zur Klarstellung.“
„Hat Ihre Majestät unseretwegen oder wegen ihrer Gesundheit die Zeremonie abgekürzt?“, traute sich Simon zu fragen.
Der kurze heitere Moment war wie weggeblasen. Prinz George wurde ernst.
„Beides. In den letzten drei Tagen habe ich mehr über Homosexualität gelernt als in meinen sechzig Lebensjahren zuvor. Allmählich habe ich mich so halb zu der Erkenntnis durchgerungen, dass es eben doch tief empfundene Liebe ist und nicht einfach eine kleine Schwäche. Für meine Mutter ist dieser Schritt zu groß. Sie wurde in einer Zeit erzogen, als Homosexualität als gefährliche Geisteskrankheit galt. Und nun soll es selbst für die Royals nur eine Frage des Zufalls und nicht der Erziehung sein? Von Queen Victoria bis zu dieser Erkenntnis ist es vielleicht zu weit für eine
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