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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Schrift begann gerade: „Seit langer, langer Zeit auf einer fernen, fernen Insel regiert eine streng auf Manieren achtende Königin …“
    Simon wunderte sich etwas, dass die Anspielung auf unsere Homosexualität mit Brokeback Mountain subtil blieb. Für mich war dies verständlich. Die Zeitung wurde auch in den ehemaligen Kolonien verkauft, im Commonwealth, wo Homosexualität teilweise sehr schwer bestraft wurde. Also würde man die Anspielung nur dort verstehen, wo die Karikatur nicht als Beleidigung oder gar als strafbare Darstellung von Homosexualität galt.
    Ein anderer Gast des Hotels machte uns auf eine Presseschau bei pinknews.co.uk aufmerksam, die würde es belegen: Je homophober das Land, desto weniger seien Simon und ich ein Thema. Die ägyptische Presse beispielsweise beschränkte sich darauf, am Rande zu erwähnen, dass nun ein schweizerisch-britischer Doppelbürger, Offizier und Physikstudent, Nummer zwei der britischen Thronfolge sei.
    Am Mittag ließen es Simon und ich nicht darauf ankommen, Sir Geoffrey zu provozieren, und standen am Hotelausgang im Anzug bereit, als der Rolls-Royce Punkt ein Uhr vorfuhr. Mir war nicht ganz wohl dabei, Timm alleine zu lassen, doch es ging nicht anders. Der strenge britische Sir musterte uns kurz und nickte. Wir durften einsteigen.
    „Ich erlaube mir, Sie über den Ablauf zu informieren, Viscount“, begann der Sir sofort nach der Abfahrt mit seinen Anweisungen. „Die Audienz und Zeremonie bei Ihrer Majestät finden um halb drei nachmittags statt. Sie beschränken sich auf rücksichtsvollen Smalltalk. Danach sprechen Sie mit Seiner Königlichen Hoheit Prinz George über Ihre Rolle in der königlichen Familie als Royal beziehungsweise als ein eng mit einem Royal Befreundeter.“
    „Eine Civil Union ist schon etwas mehr als eine Schulkameradschaft, Sir Geoffrey“, traute ich mich zu widersprechen. Doch Sir Geoffrey ignorierte meine Bemerkung.
    Wir fuhren die Mall entlang und am St. James’s Palace vorbei. In Fahrtrichtung sah ich an dem großen Victoria Memorial vor dem Buckingham-Palast zwei kleine Gruppen streiten, eine mit Regenbogenfahne, die andere wedelte mit Plakaten: God hates Fags oder Read the Bible! Die Polizei war gerade dabei, die offenbar aus den USA angereisten Herrschaften darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht britisch sei, vor dem Buckingham-Palast zu demonstrieren, wie Sir Geoffrey uns erklärte. Der Chauffeur riskierte nichts und fuhr mit dem normalen Verkehr am Palast vorbei auf die Constitution Hill und hielt erst nahe dem Hyde Park an. Es dauerte stille zehn Minuten, bis das all clear des Sicherheitsdienstes kam und wir zurückfahren durften. Die Demonstranten waren in den Green Park zurückgedrängt worden. Ein Gitter wurde geöffnet, nun war die Fahrt auf den Innenhof frei.
    Da wir durch den Vorfall etwas Verspätung hatten, waren alle nervös. Nur ein kurzer Händedruck mit einem sehr korrekten Gentleman namens Earl Amble, der als Lord Chamberlain dem gesamten Haushalt vorstand, war drin. Schon führte man uns über rote Teppiche, Treppen und durch die Flure eines Gemisches aus Prunk und Museum. Wir wurden gebeten, uns in einem Salon auf die Audienz vorzubereiten. Ich fühlte mich klein, schaute zusammen mit Simon einen Moment einem Gärtner oder sonstigem Arbeiter zu, der im Innenhof etwas reinigte. Dann übernahm Sir Geoffrey die Rolle der Queen und wir beiden jungen Männer mussten ein paarmal üben, wie genau wir uns in der sogenannten Präsenz – so nannte man im Palast die Anwesenheit der Monarchin – zu verhalten haben. Simon würde während der Audienz per Ritterschlag in den Adelsstand erhoben. Auch das musste geübt werden.
    Durch die dauernden strengen Mahnungen und pedantischen Anweisungen Sir Geoffreys hatte sich mein Lampenfieber verstärkt. Ich fühlte ein unangenehmes Stechen im Bauch, als uns Earl Amble persönlich abholte und in einen Saal, in dem ein mit einem Baldachin überspannter Thron stand, brachte. Wie musste sich erst mein armer Simon fühlen, doch Händchen zu halten traute ich mich nicht.
    Der Saal war eigentlich viel zu groß für die Zeremonie. Wir nutzten nur das vorderste Viertel. Dort warteten bereits drei Fotografen in schwarzem Anzug und Krawatte. Jack Kern war selbstverständlich nicht dabei. Mir wurde noch eine Strähne aus dem Gesicht gekämmt. Auf einem mit dunkelrotem Samt bedeckten Tischchen neben dem Thron wurde ein Schwert bereitgelegt, von Earl Amble inspiziert und nochmals etwas

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