Plötzlich Royal
zurechtgerückt. Ein Butler legte zwei schwere lederne Mappen mit dem Windsor-Wappen dazu, und der Earl prüfte, ob die Reihenfolge stimmte. Dann legte ein Gentleman, der als Private Secretary to the Sovereign vorgestellt wurde, noch ein kleineres Mäppchen oben drauf. Das Schwert hatte sich dabei wieder um ein paar Haaresbreiten verschoben, und bei der Gelegenheit des Geraderückens wurde noch einmal unter den strengen Augen des Earls kurz an der Klinge poliert. Die beiden für das Tischchen zuständigen Diener nahmen danach an der Wand diskret eine Wartestellung ein und Sir Geoffrey stellte uns Studenten, die das Gefühl hatten, im falschen Film zu sein, um 14.25 Uhr nebeneinander auf die exakte Position. Die Tür öffnete sich.
„Seine Königliche Hoheit, der Prince of Wales“, kündigte Earl Amble deutlich, aber nicht laut meinen Großvater an.
Mir fiel wieder auf, dass er gegenüber offiziellen Porträts älter aussah. Die Fotoapparate klickten, während ich meinem Großvater meinen Lebenspartner Mr Simon McTombreck formell vorstellte. Für mehr reichte die Zeit nicht.
14.29 Uhr. HRH Prince George, Prince of Wales, nahm Earl Ambles Platz ein, der zwei Schritte in den Hintergrund zu Sir Geoffrey und dem Privatsekretär trat. Die Fotografen brachten sich in Position.
„Die Queen spricht zuerst. Der kurze Handschlag ist die einzige Berührung. Die Monarchin streckt die Hand zuerst aus“, wies uns Sir Geoffrey nicht laut, aber vernehmlich an. Eine viktorianische Uhr schlug die halbe Stunde an und gleichzeitig öffnete sich die Tür.
„Ihre Majestät, die Königin“, kündigte Earl Amble deutlich vernehmbar an.
„Eure Majestät, Mutter, darf ich Ihnen Ihren Urenkel und meinen Enkel Sascha, mit vollem Namen Alexander Philipp, vorstellen? Alexander, Ihre Urgroßmutter und Königin Elisabeth II.“, sagte der Prince of Wales.
Ich neigte leicht den Kopf, als Ihre Majestät vor mir stand. Die Queen war deutlich kleiner als ich und blickte etwas müde, aber doch fest an mir, dem blonden, dünnen Schweizer, hoch. Sie nickte ganz kurz und streckte die Hand aus.
„Es freut mich, Sie hier zu sehen. Sie waren das letzte Mal mit zwölf Jahren in Windsor Castle?“
„Das ist richtig, Majestät, ich erinnere mich sehr gerne daran zurück“, antwortete ich und ergriff die Hand der Queen sanft. Es war eher eine kurze Berührung, kein Drücken. „Es ist schön, wieder hier zu sein“, erlaubte ich mir zu bemerken. Die Fotoapparate surrten und blitzten. Dann war der Handschlag vorbei und die Queen trat zu Simon, der sich etwas tiefer beugte.
„Mutter, der Lebenspartner von Alexander Philipp, Civil Union nach britischem und Schweizer Recht, Mr Simon McTombreck“, führte mein Großvater weiter aus.
Die Monarchin musterte auch Simon einen kurzen Moment, bevor sie die Hand ausstreckte.
„Ihr Vater sei Dozent in Zürich und Schotte, habe ich von Sir Geoffrey erfahren. Wir konnten Ihren Stammbaum bis zum schottischen König Alexander III. zurückverfolgen, Mr McTombreck. Willkommen.“
„Eine interessante Neuigkeit, danke, Majestät“, antwortete Simon und traute sich ebenfalls kaum, die monarchische Hand zu drücken. „Vielen Dank, dass Sie dies recherchieren ließen, Ma’am.“
Die Abstammung von Alexander III. hatte nichts zu bedeuten. Vermutlich konnten die meisten Schotten ihren Stammbaum zu diesem König des dreizehnten Jahrhunderts zurückverfolgen.
„Wie kommen Sie mit Ihrer Arbeit mit den jungen Leuten voran, Sir Geoffrey?“
„Es gibt kleine Fortschritte, Ma’am“, antwortete der Angesprochene.
„Schreiten wir zur Zeremonie.“ Die Monarchin ging langsam in Richtung des Throns und bat um einen Stuhl. Das war ungewöhnlich, denn üblicherweise nahm sie den Ritterschlag vor dem Thron stehend vor. Dass Ihre Majestät auf dem Thron selbst sitzen würde, war undenkbar. Nur einmal im Rahmen der Krönungsfeierlichkeiten hatte die Queen auf den Thron Platz genommen und seither nie mehr. Nachdem eilends ein Stuhl vor den Thron gestellt wurde und sich Ihre Majestät gesetzt hatte, wurde ihr das kleine Mäppchen gereicht.
„Nein, gleich die Verleihungsurkunde“, verlangte die Queen.
Ein Angestellter lief kurz rot an und reichte ihr die Mappe.
„Der Enkel Unseres Sohnes George, Alexander Philipp, ist dessen Nachfolger und somit an zweiter Position der Thronfolge Unseres Hauses. Hiermit erhält der mit bürgerlichem Namen Alexander Philipp Burger heißende legitime Urenkel Unser Selbst die
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