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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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und legte mich aufs Bett.
    „Kein Fernsehen! Bitte.“ Simon hatte bereits nach der Fernbedienung gegriffen. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Earl Binnester war so gemein gewesen und ich fühlte mich klein und überfordert. Schwule waren offenbar nur etwas, über das sich die Queen zu Tode gegrämt hatte. „So ein rückständiger, homophober Scheißladen!“, brüllte ich. Simon warf mir einen strafenden Blick zu. Mein Ausbruch sollte noch ein Nachspiel haben: Eine Stunde später klingelte das Telefon.
    „Ja!“, rief ich unfreundlich.
    Die Rezeption war dran. „Sorry, ich blocke ja alle Anrufe für euch ab, doch da ist die Downing Street dran. Ich hab mich durch Rückruf vergewissert, dass es kein Spinner ist.“
    „Danke, gute Arbeit. – Hier Sascha Burger?“, meldete ich mich trotzig mit bürgerlichem Namen.
    „Mein Name ist Edward O’Brien. Ich rufe im Auftrag von Gordon Brown an. Wie geht es Ihnen, Königliche Hoheit?“
    „Es ist nicht leicht, danke der Nachfrage. Wie kommen Sie und der Premier mit der Situation zurecht?“
    „Danke. Ich möchte gleich zum Grund meines Anrufs kommen. In den Medien wird berichtet, auf der Straße sei ein Schrei von Ihnen zu hören gewesen, der sich in nicht akzeptabler Weise unter Verwendung von Fäkalsprache auf den königlichen Haushalt bezog. Wir übernehmen das Dementi – denn etwas anderes ist nicht denkbar. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das klar ist.“
    „O Mann! Ja, die alte Masche. Wer schreit, hat Unrecht, egal wie gemein man vorher zu ihm war.“
    „Das Dementi bitte!“, forderte O’Brien.
    „Notieren Sie: Der Schrei stammte von einem mir unbekannten Gast des Hotels. Für die Wortwahl kann ich kein Verständnis zeigen. Nichtsdestotrotz musste die LGBT-Community eine Demütigung erdulden, als es mir verboten wurde, mich zusammen mit meinem Mann vor Ihrer Majestät zu verneigen und mich ins Kondolenzbuch einzutragen.“
    „Was bedeutet LGBT?“
    „Das ist die internationale Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle, die selbstverständlich auch Intersexuelle mit einschließt“, erklärte ich und versuchte mehr schlecht als recht die Fassung zu bewahren.
    Es dauerte einen Moment. Ich hörte O’Brien sich unverständlich mit jemandem beraten, bis er antwortete: „Ich habe Verständnis für Ihre Kränkung, doch die Nation ist in Trauer und wir sollten dieses berechtigte Streben nach Gleichberechtigung für ein paar Tage ruhen lassen. Es ist nicht britisch, den Tod der Queen politisch zu instrumentalisieren.“
    „Dann ist Earl Binnester kein Brite“, bemerkte ich bitter. „In der letzten Woche haben Sie und der Palast sich dazu durchgerungen, auch am Hof die Civil Union anzuerkennen, wenn auch nicht ganz auf Augenhöhe mit der traditionellen Ehe.“
    „Ich verstehe das. Trotzdem kann Ihr zweiter Satz so nicht in die Erklärung aufgenommen werden. Der Labour Party verdanken Sie die Civil Union. Gefährden Sie das nicht durch Fäkalsprache im empfindlichsten Moment. Halten Sie sich von der Presse fern. Der Premierminister lässt ausrichten, Sie und der königliche Haushalt sollen sich jetzt einfach am Riemen reißen. Gute Nacht, Hoheit.“
    Er legte auf. Ich konnte nicht einmal antworten und ließ mich zurück aufs Bett fallen. Simon suchte sich einen amerikanischen Kanal, der eine bescheuerte Seifenoper sendete. Hauptsache, es hatte nichts mit der Monarchie zu tun. In drei Tagen würde man mich zur Beerdigung abholen und bis dahin galt es, unauffällig zu bleiben.
    Drei Tage später, nach der offiziellen Beerdigungsfeier, die ich ohne Simon absolvieren musste, war ich dankbar, wieder ins Bubennest, wie wir das Apartment im Alan-Turing-Hotel inzwischen selbstironisch nannten, gefahren zu werden. Eigentlich war alles ein unglaublicher Affront. Im Buckingham und im St. James’s Palace gab es einen funktionierenden Hotelbetrieb und ich musste außerhalb nächtigen. Doch man fürchtete wohl peinliche Szenen mit den Staatsgästen.
    Zu dritt drängelten Simon, Timm und ich uns auf das Sofa, schalteten irgendwas im Fernsehen ein, das nichts mit der Beerdigung zu tun hatte, und gingen später mit Timm ein WG-Zimmer für ihn besichtigen, das uns der Wasserstoffblonde von der Rezeption vermittelt hatte. Es lag ebenfalls im Stadtteil Soho, war zwar nicht sehr groß, aber baulich in Ordnung. Der heterosexuelle Bruder des Wasserstoffblonden und dessen Kumpel versicherten Simon und mir, kein Problem mit einem schwulen

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