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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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Mitbewohner zu haben. Obwohl Timm von Schulen nichts mehr wissen wollte, hatte ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich unseren Jungen in einem Internat unterbringen könnte. Ich bezahlte drei Monate Zimmermiete im Voraus. Wir konnten Timm ja nicht auf der Straße zurücklassen, wenn wir wieder nach Zürich zurückfahren würden.
    Nach der Zimmerbesichtigung besuchten wir zu dritt in einen schwulen Pub, den uns das Hotel empfohlen hatte. Die Empfehlung war wichtig, denn selbst im schwulenfreundlichen Stadtteil Soho konnte es einem passieren, dass man als offensichtlich schwules Paar aus einer Kneipe flog.
    Die meisten Clubs hatten aus Rücksicht auf die Staatstrauer geschlossen. Im Pub selbst herrschte eine trotzige „Die Monarchie geht uns nichts an“-Stimmung. Eine Feierlaune sah jedoch anders aus. Das schlechte Gewissen, sich pietätlos zu verhalten, schien nicht nur mich zu bedrücken. Mit der Zeit jedoch hellte sich unsere Stimmung etwas auf. Wir waren ein Trio junger, gut aussehender Männer. Einer – dem ersten Eindruck nach wohl ein Pfarrer – bot mir fünfzig Pfund, wenn ich mit ihm kurz nach hinten käme. Das schmeichelte mir zwar, doch nun scheuchte ich ihn in etwas aggressiverem Tonfall weg, wir seien wirklich nur für ein Feierabendbier hier. Der Laden schien nicht ganz stubenrein zu sein, jedenfalls gingen gelegentlich Pärchen mit beträchtlichem Altersunterschied beim Toilettensignet etwas länger hinaus als üblich. Etwa nach dem dritten Ale gingen auch Timm und Simon zusammen in diese Richtung.
    Am Wochenende beim Abfeiern war es nicht ungewöhnlich, dass einer von uns mit einer interessanten Bekanntschaft auch mal knutschen ging, doch jetzt störte es mich doch. Ja, der Emo mit seinen dünnen, langen Beinen und den melancholischen tiefen Augen hatte auch mich etwas verliebt gemacht. Trotzdem − man ist ja als Royal nie unbeobachtet. Ich war nun der Thronfolger, auch wenn das für mich noch sehr theoretisch und weit weg schien. Sobald die beiden wieder zurück waren, bezahlte ich die Rechnung mit der Begründung, wir sollten es nicht übertreiben und die konservativeren Leute mit einer durchfeierten Nacht nicht vor den Kopf stoßen.
    „Hätten die nicht ein wenig länger bleiben können?“, raunzte draußen ein Paparazzo seinen Kollegen an, als wir vor die Tür traten. Man lauerte also genau auf diesen Skandal.
    Wie immer fanden Simon und ich uns am nächsten Tag pünktlich um sieben beim Frühstücksbüffet ein. Mein Mann blätterte in den Zeitungen. Unser Besuch im Pub war zumindest in der seriösen Presse kein Thema. Ich begann mit wenig Enthusiasmus, die Benimmregeln für Royals zu lesen, die uns Sir Geoffrey hatte zukommen lassen. Das meiste fand ich lächerlich altmodisch. Zum „Morning Dress“ gehöre ein Zylinder. Da sollte sich doch Sir Geoffrey wie Rumpelstilzchen ein Bein ausreißen. Ich würde bestimmt keinen Zylinder tragen, nicht einmal beim Pferderennen in Ascot, falls ich mich jemals dorthin verirren sollte. Dennoch, zumindest ein flüchtiges Durchlesen musste sein. Ich blieb beim Kaffee, auch wenn Sir Geoffrey beim Gedanken an einen kaffeetrinkenden britischen Kronprinzen in Ohnmacht gefallen wäre. Sollten doch Geoffrey und Binnester, diese Vogelscheuchen mit Schirm, ohne Charme und mit Melone, vor Entsetzen umkippen.
    Gegen Viertel vor acht kam der Wasserstoffblonde zu uns in den Frühstückssaal gerannt: 10 Downing Street brenne, bildlich gesprochen. Er führte uns für den Anruf in das Hotelbüro.
    „Sascha Burger?“, meldete ich mich und schaltete auf Lautsprechermodus, damit Simon zuhören konnte.
    „O’Brien hier, der Premier hört mit. Wir sind in einer sehr schwierigen Lage, muss ich Ihnen leider berichten.“
    Mein Puls sprang augenblicklich auf 120. Die Regierung würde einen verzogenen blonden Studenten bestimmt nicht anrufen, wenn diese „schwierige Lage“ nicht den Charakter einer Staatskrise hätte.
    „Bitte sprechen Sie, Sir!“
    „Ich möchte gerne, dass Sie mir alles detailliert schildern, was Sie seit Ihrer Ankunft im Hotel gestern Abend unternommen haben“, forderte O’Brien streng.
    „Simon und ich sind von den Trauerfeierlichkeiten zurückgekehrt. Wie Sie vielleicht bereits wissen, haben wir einen achtzehnjährigen Schüler namens Timm Kent bei uns aufgenommen. Das Hotel hat eine Fotokopie seines Passes, die wir Ihnen gleich faxen werden.“
    Ich blickte den Wasserstoffblonden auffordernd an, der sofort an ein Ordnergestell rannte.

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