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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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drängte ich den Reporter.
    „Moment!“ Ich hörte Kern auf seiner Tastatur hämmern. „Heiliger Pulitzer! Wie der Pfarrer im Knabenchor! Ihr macht also doch Pornos? Ha, für ein christliches Blatt geben die ganz schön Gas!“
    „Ist nicht lustig! Mach was!“, rief ich. Ein paar Touristen, die gerade die Duke-of-York-Säule fotografierten, drehten sich verwundert zu uns um.
    „Ich hau euch beide raus, wenn ich drei, nein, sieben lange Exklusivinterviews kriege, wenn du mal König bist!“
    Ich wusste, dass dies eine blasphemische Forderung war. Der König gibt keine Interviews, schon gar nicht der Boulevard-Presse. Doch im Moment wollte man uns fertigmachen, und meine Chance, je König zu werden, ging gerade gegen Null. Ich brauchte einen Verbündeten. Zugegeben, Kern war kein Verbündeter, aber zumindest eine gehörige Portion Sand im Getriebe des Feindes. Außerdem würde ich nach dem Skandal sowieso nicht König werden. Es würde reichen, wenn ich nicht ins Gefängnis musste.
    „Einverstanden, fünf Interviews, königliche Spucke und Hand drauf“, bot ich an.
    „Gut. Gibt es bereits einen Haftbefehl gegen dich oder Simon?“
    „Weiß nicht. O’Brien sagte, Simon und ich sollten zu Fuß zum Palast kommen. Wir sind bereits unterwegs.“
    „Ha, da geht die Party endlich wieder los nach all dem Trauergesülze für die Queen! Geht ihr da wirklich hin?“, fragte Kern.
    „Ja, ich bin kein Verbrecher auf der Flucht.“
    „Moment … ups, da beginnt die Kacke zu dampfen. Ich muss schnell tippen für die Online-Ausgabe, sonst ist unser Telefonat bereits wieder kalter Kaffee. Ich ruf zurück.“
    „Halt, was …?“ Kern hatte schon aufgelegt. Wir standen nun auf der Mall.
    „Zum Palast geht es da lang“, bemerkte Simon und deutete nach rechts. Die Prunkstraße lief genau auf den Buckinghampalast zu. „Du weißt, dass wir die Röhrenjeans tragen? Die wird der königliche Haushalt kaum mögen.“
    Das konnte ich nun auch nicht mehr ändern. Der Palast war wohl doch das Beste, was sich uns momentan bot. Irgendwo glaubte ich einmal gelesen zu haben, dass die königlichen Paläste eine Art Autonomiestatus hatten. Die Polizei könne da nicht einfach hereinplatzen und Leute verhaften. Auf der anderen Straßenseite zweigte die Horse Guards Road ab, die an den Regierungsgebäuden der 10 Downing Street vorbeiführte. Sollte ich zu Brown gehen? Nein, besser auf der Mall direkt zum Palast gehen. Der Kronprinz gehörte nicht in die Downing Street. Nein, ich war kein Kronprinz. Simon und ich waren einfach zwei Studenten. Schon allein unser Wortschatz war alles andere als palasttauglich.
    Endlich erreichten wir den runden Vorplatz mit dem Victoria Memorial. Ich musste mich wieder beruhigen. An der Mauer entlang wurden noch immer Blumen abgelegt, wenngleich auch nicht mehr eine solch große Menschenmenge da war wie unmittelbar nach dem Tod der Queen. Der Sicherheitschef John holte uns am Eingangstor ab.
    „Vielleicht sollten wir uns erst umziehen“, meinte ich, als wir hineingeführt wurden, doch John ging wortlos voran, eine rot bespannte Treppe hoch, einen langen Flur mit vielen Gemälden entlang und hinein ins Nelson-Zimmer.
    „Warten Sie hier! Falls Sie ein Bedürfnis haben, klingeln Sie hier, im Türrahmen versteckt“, erklärte John und schloss die Tür von außen. Wir setzten uns an den Tisch und warteten still. Ob wir wohl die ersten Menschen in Röhrenjeans und abgetragenen Diesel-Sneakers waren, die je dieses Zimmer betreten hatten? Die Zeit verrann. Ich schaute mir nach einer Weile mit dem Handy die Schlagzeilen von Daily World Online an:
    „Sascha auf spektakulärer Flucht durch London. Wir haben den Unschuldsbeweis (im Pay-Bereich)!“, titelte die Zeitung auf ihrer Homepage.
    Mehr wollte ich nicht ansehen, sonst würde ich mein Guthaben zu schnell aufbrauchen. Ich blickte hoch zum Gemälde. Admiral Nelson hätte Schwule wie uns bestimmt vor die Kanone gebunden. Simon schaute sich aus Langeweile die Schiffe in den Flaschen an, die auf einer Kommode ausgestellt waren. Ich ertappte mich dabei, dass ich mich dafür schämte, Simons Po attraktiv zu finden. Hatten sie mich schon gebrochen?
    Plötzlich flog die Tür auf und König George trat energisch ins Zimmer. Sir Geoffrey wollte folgen, doch Großvater befahl ihm knapp: „Draußen warten!“ Weder Simon noch ich hatten Lust, dieses britische Theater mitzumachen, und blieben sitzen.
    „So wie du mit deinem Mobiltelefon in den Fingern da sitzt, würde

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