Plötzlich Royal
achtzehn. Dann verglich ich die Muster und Hologramme mit meinem britischen Pass. Sie stimmten überein.
„Ich hab Mist gebaut, oder?“, fragte Timm ganz betreten nach ein paar Minuten des Schweigens.
„Nein!“ Der Pass schien mir echt. Ich drückte seine Hand. Er war nur in etwas hineingeraten, das eigentlich mir galt. Die Fundamentalisten wollten zeigen, wie untragbar schwule Royals seien. Einerseits fühlte ich eine gewisse Erleichterung, dass sich die Anschuldigung des Evangelical Sentinel wohl bald offiziell als haltlos erweisen würde, andererseits hatte das Blatt dennoch einen Riesenskandal losgetreten.
Es dauerte wieder eine halbe Ewigkeit. Draußen war es bereits Nacht geworden und das Trommeln des Regens gegen die Scheibe, gelegentliche Kommandos der Wache und Schritte auf dem Flur waren die einzigen Geräusche. Die Tür ging wieder auf und Großvater George kam mit Sir Geoffrey herein. Timm schoss vom Stuhl hoch und nahm Haltung an, als hätte ein Feldwebel die Rekrutenunterkunft betreten. Auch Simon und ich erhoben uns dieses Mal, wenn auch nicht so zackig wie Timm.
„Setzen Sie sich, meine Herren. Sascha, ich nehme an, dein Freund Sam hier hat dich informiert?“
„Timm“, korrigierte ich.
„Mir egal!“, brummte mein Großvater. „Juristisch wurden die Ermittlungen wegen Missbrauchs eingestellt. Der Palast wird seinerseits nicht wegen Verleumdung klagen, da dies noch mehr Staub aufwirbeln würde. Damit schnell Gras über die Sache wächst, setzt ihr beiden euer Physikstudium in der Schweiz fort. Mein Bruder Charles wird bis auf Weiteres die protokollarischen Pflichten des Kronprinzen übernehmen.“
„Mit Eurer Erlaubnis, Majestät“, fuhr Sir Geoffrey fort, „haben wir für die beiden einen Flug nach Zürich bereits gebucht. Der Premier wird in einigen Monaten entscheiden, ob er beim Parlament ihre Entfernung aus der Thronfolge beantragt. Timm Kent wird zu seiner Mutter gefahren. Er ist nicht unser Problem.“
„Meine Alte hat mich auf die Straße geworfen! Und in der Schule stechen sie mich ab, Mann!“, brauste Timm auf.
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ruhig. Du gehst ins Hotel zurück, während der Palast ein tolerantes Internat organisiert. Sir Geoffrey, ziehen Sie es mir von der Pension ab oder schicken Sie mir die Rechnung, wenn ich gefeuert werde.“
Sir Geoffrey wollte protestieren, doch Großvater George war einverstanden. Er erhob sich, und wir drei taten es ihm gleich. „Es ist jetzt das Beste, wenn du und Simon in der Schweiz euer Studium bis zum Master oder gar Doktor fortsetzt und euch nicht in die Debatte um deinen Verbleib in der Thronfolge einmischt. Guten Rückflug nach Zürich!“ Damit machte mein Großvater klar, dass er keine weitere Diskussion wünschte.
Das Personal des Palastes hatte inzwischen unser Gepäck aus dem Hotel geholt. Die Zeit dränge, der gebuchte Flug würde bald starten, erklärte uns Sir Geoffrey. Vermutlich ging es mehr darum, uns möglichst schnell aus dem Blickfeld der britischen Presse zu bringen. Ein Buttler führte uns bereits zu einem Rolls-Royce.
Auf dem Weg zum internationalen Flughafen Heathrow westlich der Stadt wurmte es mich schon, dass ich wohl doch nur als eine Fußnote in die Geschichte des britischen Königshauses eingehen würde. Simon meinte, sie würden sicher die Gesetzgebung so ändern, dass Frauen gleichberechtigt wären, und dann würde meine ältere Schwester eines Tages Königin. Das klinge nach Fortschritt und nicht nach viktorianischem Rauswurf.
Der Flughafenzoll von Zürich-Kloten kam uns beiden wie ein vertrautes Zuhause vor und das „Grüezi mitenand!“ des Zöllners tat unendlich gut. Wir leisteten uns ein Taxi. Zu Hause hängten wir all die kratzenden Anzüge in den Schrank und freuten uns darauf, für die nächsten Jahre wieder das schwule Jeansjacken-Paar zu sein. Was war es doch für ein absurder Traum gewesen, dass wir beiden Kindsköpfe eines Tages das britische Königspaar sein sollten.
Doch der Rauswurf blieb aus. Die Politik fürchtete wohl die Debatte darum. Gordon Brown begann dennoch an einer weniger dramatischen Reform zu arbeiten, die Thronfolgeregelung sollte männliche Blutsverwandte des Monarchen nicht länger bevorzugen. Trotz Zuspruchs aus dem deutschen Adel, allen voran vom Haus Schwanstein, und mancher Lords, die vermutlich eine Frau als das kleinere Übel im Vergleich zu mir ansahen, fuhr sich die Debatte jedoch fest. Bei der Frage nach Katholiken in der Thronfolge
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