Plötzlich Royal
und Neugier, Loyalität und Patriotismus. Diese Werte sind alt. Diese Werte sind wahrhaftig. Sie waren durch unsere ganze Geschichte hindurch die stillschweigende Kraft des Fortschritts, die Grundlage unserer Freiheit und unseres Wohlstandes. Dieser Fortschritt und diese Freiheit machten es möglich, dass Männer, Frauen und Kinder aller Hautfarben, jedes Glaubens und jeder sexuellen Orientierung sich hier der Feier in diesem wunderbaren Park im Zentrum des Vereinigten Königreiches anschließen können. Ein Mann, der aufgrund seiner gleichgeschlechtlichen Beziehung noch vor fünfzig Jahren in einem Restaurant vor Ort möglicherweise nicht bedient und mit seinem Lebenspartner sogar verhaftet und in eine Irrenanstalt gesteckt worden wäre, kann heute vor Ihnen stehen und darf die hochehrwürdige Position des Kronprinzen einnehmen.
So viel eine Monarchie auch tun kann und tun muss: Letztlich sind es der Glaube und die Entschlossenheit der Briten, worauf sich diese Nation begründet. Das Vereinigte Königreich mit seiner großartigen Geschichte, seiner berühmten Monarchie, seinen exzellenten Künsten, Wissenschaften und seiner Technik, seinem schlagkräftigen Militär, in dem jeder ohne Ansehen seiner Hautfarbe, Religion und sexuellen Orientierung dienen darf, kurzum, mit seinen patriotischen und fortschrittlichen, weltoffenen und toleranten Menschen, spielt weltweit gesehen eine Vorreiterrolle und geht mit positivem Beispiel voran. Deshalb bin ich so stolz, nun bei Ihnen sein zu können, liebe Briten. Gehen wir zusammen weiter den Weg des gegenseitigen Respekts und des Fortschritts, im Bewusstsein dessen, dass sich Monarchie und Moderne nicht ausschließen, sondern ergänzen. Vielen Dank.“
Jetzt auf keinen Fall noch mehr reden. Die Leute applaudierten jedenfalls, aber vielleicht nur aus Höflichkeit?
Obama winkte nochmals, ich machte es ihm nach, so gut man das eben als Student kann. Dann gingen wir wieder hinter die Bühne.
„Sie haben die Rede gut eingeübt. Ich habe bemerkt, der Prompter war bei Ihnen ausgefallen, Eure Hoheit.“
„Ich hatte nur meine Notizen. Hoffentlich habe ich nicht zu wirr gesprochen.“
„Nein, war gut und ich bin dankbar, Sie nicht als Wahlkampfgegner zu haben“, meinte Obama. „Ich sehe Sie beim Empfang heute Abend, Eure Hoheit.“
„See you, Mr President“, konnte ich gerade noch sagen und schon entschwand er mit Michelle und seinem Stab in seiner Limousine und der Konvoi fuhr aus dem Park. Der Rolls für Simon und mich machte dagegen fast schon einen kleinbürgerlichen Eindruck. John wusste auch nicht so recht, wie es nun weitergehen würde, und rief im Palast an, während hinter uns eine Band auf die Bühne kletterte. Es stellte sich während des Anrufes heraus, dass sich keiner im königlichen Haushalt überlegt hatte, was Simon und ich ab jetzt bis zum Staatsbankett tun sollten.
Für Simon und mich war das kein Problem. Wir ließen uns zur nächsten Boutique fahren, dort kaufte ich mir eine schwarze Röhrenjeans und ließ den Anzug im Wagen. Mit John im Schlepptau bummelten wir ein bisschen dahin und ein bisschen dorthin, auch zur Old Compton Street. Erkannt wurden wir eigentlich nur dort und auch nur dort hielten wir Händchen. Wir waren ja während der vergangenen zwei Jahre so gut wie nie in den Medien präsent gewesen. Es hatte mir auch nicht gefehlt. Die Sorgen-E-Mails von schwulen Jugendlichen und die bösen Briefe von alten Konservativen würden noch früh genug kommen.
Gegen 14 Uhr erhielt John den Anruf, man würde uns im Buckingham-Palast erwarten, und bestellte gleich, ohne Rücksprache mit uns, einen Rolls-Royce an die nächste Kreuzung. Er hatte sich wohl eine Blase an den Füßen eingefangen.
Wir fuhren die Mall entlang auf den Palast zu. Überall wurde für die morgige Parade Trooping the Colour bereits Absperrzäune aufgestellt. Da in diesem Jahr der Präsident wie die königliche Familie auch in einer offenen Kutsche vom Buckingham-Palast zu den Horse Guards unweit der Downing Street fahren würde, um dann dort der traditionellen Geburtstagsparade der Gardisten beizuwohnen, waren die Sicherheitsmaßnahmen rigoros. Bombenhunde schnüffelten bereits überall herum und die Abfalleimer wurden abgeschraubt. Etwas versteckt neben einem Baum der Allee unter einem Tarnnetz konnte ich sogar einen Radpanzer entdecken. Meinem militärisch geschulten Auge entging dies nicht.
John folgte meinem Blick. „Die Radpanzer alle hundert Meter sind unsere Shelter
Weitere Kostenlose Bücher