Plötzlich Royal
Schottenrock bekleidet. Dahinter spielte eine Kapelle der Household Guards, daneben hatten sich die Presse und einige Fernsehkameras positioniert.
Das Flugzeug kam punktgenau zum Stehen. John gab über Funk Mr Grant das all clear, und ich holte tief Luft. Ein freundliches Gesicht, aber nicht Übermut war angebracht. Großvater war ja noch nicht einmal einen Tag tot. Mr Grant nickte, ich stand auf, bedankte mich beim Piloten und schon stand ich auf der schmalen Treppe. Ein Händedruck mit allen und Kondolenzwünsche folgten auf dem roten Teppich, danach spielte die Kapelle die Nationalhymne.
Simon und ich hatten dieses Mal einen Rolls-Royce für uns allein, auf dessen Dach die königliche Standarte der Windsors prangte. John stieg vorne beim Chauffeur ein, dann machte sich der nicht unerheblich lange Konvoi mit Blaulicht-Polizeieskorte auf den Weg durch die Stadt in Richtung Tower. Die Route war aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt worden, deshalb gab es keine jubelnden Menschen am Straßenrand. Wir fuhren dazu auch zu schnell. Erst bei den Gemäuern des Towers warteten Schaulustige und wieder einige Fernsehkameras. Trauerflor war über dem Tor angebracht worden und die Windsor-Flagge wurde gerade auf Halbmast gehisst.
„Du weißt, dass mehr Könige in den Tower hinein- als hinausgegangen sind?“, neckte Simon.
„Schlechtes Timing für den Spruch.“
„Seit der Abreise heute darf man keine Milch mehr in deine Nähe bringen, so sauer guckst du. Sie werfen uns sowieso raus, spätestens nach einem Monat, also genieß bis dahin die Show.“
Vielleicht war ich wirklich etwas verkrampft. Ich klapste Simon „zur Strafe“ kurz auf den Hinterkopf, da öffnete schon einer im Frack die Tür. Ein paar Lords des Krönungsrats begrüßten mich und reichten sogar Simon die Hand. Das war immerhin ein versöhnlicher Anfang. Wir gingen in eines der Gebäude hinein und wurden eine Steintreppe hochgeführt.
„Siesch, es got nid abe in e Verliess, bis jetzt.“
„Löli!“, konterte ich.
„Na endlich, ein Lächeln.“ Der Earl of Dorincourt hatte unser Schweizerdeutsch sicher nicht verstanden, doch er war anscheinend auch Simons Ansicht, ich sollte etwas lockerer sein. In einem Saal, der nach Queen Elisabeth I. benannt war, hatten sich die Würdenträger versammelt. Ihr durchschnittliches Alter lag knapp unter der Grenze zum Dreistelligen, schätzte ich.
Der für königliche Verhältnisse eher kleine Saal hätte problemlos als Kulisse für einen Robin-Hood-Film dienen können. Außer ein paarmal Staubwischen war hier seit Jahrhunderten bestimmt nichts verändert worden. Nur die beiden Fernsehkameras und zwei Scheinwerfer deuteten darauf hin, dass wir nicht das Jahr 1600 schrieben. Wenn die erste Elisabeth gewusst hätte, dass hier vierhundert Jahre später ein Eidgenosse seinen Amtseid ablegt, hätte der Scharfrichter Überstunden machen müssen, dachte ich mir beim Anblick des Saales. Vorne wurden in der Tat die Krone und das Zepter in einer offenen Vitrine ausgestellt. Das farbige Funkeln der Diamanten im Licht der Scheinwerfer zog mich einen Moment wie magisch in seinen Bann. In den Kronjuwelen waren einige der berühmtesten Steine der Welt eingearbeitet. Die Monarchie und ihr Prunk wussten durchaus zu faszinieren.
„War das ein Teil Ihrer Majestät Perücke?“, fragte Simon und hob ein Toupet vom Boden auf. Einer der Lords fasste sich erschrocken an die Stirnglatze und nun war die Stimmung gerettet.
„Wir haben uns darauf geeinigt, Eurer Majestät wie folgt entgegenzukommen“, wandte sich der Earl of Dorincourt an mich. Er reichte mir ein Blatt. Nicht gerade der große Wurf, aber ich wollte es mit meinem Widerstand nicht auf die Spitze treiben.
„Könnten Sie sich für eine Regieprobe hinstellen, Majestät, Earl?“, rief ein Produzent von BBC.
Wir stellten uns rechts und links der Kronjuwelen auf, jemand vom Fernsehen kämmte mich noch kurz. Bei Earl of Dorincourt gab es nichts zu kämmen, dafür wurde ihm die Glatze gepudert.
„Brauchen Sie Ihren Teil schriftlich, Sire?“
Ich schüttelte den Kopf. Das Lampenfieber kehrte zurück.
„Bitte, es sollen sich alle auf dem knarrenden Parkett möglichst nicht bewegen, bitte!“, verlangte der Produzent von BBC. „Kann ich den Sendern mitteilen, wir seien in fünf Minuten so weit?“
Die fünf Minuten zogen sich etwas; auch Earl of Dorincourt las seine Proklamationsformel immer wieder flüsternd durch.
„Seine Majestät bitte im Off warten, bis
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