Plötzlich Royal
versuchen unterzujubeln, akzeptiere ich genau dreimal: das erste Mal, das einzige Mal und das letzte Mal. Sie lassen Ihre Religion draußen vor dem Palast oder Sie gehen. Wenn ich nicht das Vertrauen habe, dass Sie Briefe von Schwulen nicht von vornherein als obszön aussortieren, kann ich nicht mit Ihnen arbeiten.“
„Der Glaube lässt sich nicht vor dem Büro ablegen und wieder anziehen wie einen Regenmantel.“
„Bitte verlassen Sie jetzt dieses Büro und schicken Sie mir Mr Grant rein.“
„Und siehe! Der Herr schleuderte herab das Feuer auf Sodom und London!“, zitierte sie und stolzierte hinaus.
„Ich habe es schon geahnt, als sie mich beim Standardbrief immer in Richtung einer zweideutig kritischen Antwort drängen wollte.“ Simon räumte die missratenen Entwürfe weg.
Zum Überlegen blieb keine Zeit, schon klopfte es und Mr Grant kam hinein.
„Majestät? Ms Pearce erwähnte eben unter Tränen, Sie wollten mich sprechen?“
Ich zeigte Mr Grant den Methodistenbrief, der noch auf meiner Tastatur lag. Grant begann ihn im Stehen zu lesen, brach etwa in der Mitte ab, hob kurz verlegen seine Hornbrille und blickte mich dann an.
„Diese paar Briefe im Körbchen, die mir Ms Pearce vorgelegt hat, sind niemals ein repräsentativer Querschnitt der Korrespondenz“, erklärte ich ihm. „Was ich ihr persönlich übel nehme, ist dieser Missionierungsversuch. Wie können Sie sicherstellen, dass auch LGBT-Briefe eine faire Chance erhalten, es bis auf mein Pult zu schaffen?“
Grant legte den Brief selbst zurück ins Körbchen, hielt dieses mit beiden Händen fest und schaute mich verloren an.
„Missionierungsversuche dieser Art empfinde ich als beleidigend“, erklärte ich ihm weiter. „Geben Sie bitte ein unmissverständliches Memo raus, dass alle, die mit mir und meiner Art zu leben ein Gewissensproblem haben, jetzt die Gelegenheit erhalten, durch Stellenabbau aus Budgetgründen zu gehen, also Kündigung ohne eigenes Verschulden. Danach gibt es bei Vorfällen wie diesem fristlose Entlassungen. Simon und ich ziehen nun um und gehen eine Stunde ins nächste Pub, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Sie sind herzlich eingeladen.“
Ich lehnte mich zurück. Es hatte gut getan, Dampf abzulassen, aber es war wohl klar, dass Grant jetzt den Premier anrufen würde.
„Darf ich die Einladung auf Colonel McLey ausdehnen? Vielleicht ist es gut, an der Theke mal auf Augenhöhe mit Ihnen beiden zu reden. Der Butler bringt Sie auf Schleichwegen hoch zur Suite und wir treffen uns anschließend beim Ausgang des Südflügels. Ist das gut? Ich sag John Bescheid.“ Grant deutete eine kleine Verbeugung an und verschwand mit dem Körbchen.
Der diskrete Butler Fletcher führte uns hoch. Im Moment sah ich keine Möglichkeit, wie ich mit dieser Situation zurechtkommen sollte. Wie könnten ich als offener Schwuler je in der Bastion des guten Benehmens bestehen? In jeder Ritze, jeder Teppichfaser lag noch der Geist der Queen, die von unzähligen Bildern streng auf uns Schweizer herabblickte. In jedem Moment spürte ich die Gedanken der Lords, Sirs, Butler, Ladies in Waiting und sonstiger Pinguine: „Gut, dass das die Queen nicht mehr erleben muss“. Ihre Majestät war höchstens mal „ not amused “, wenn Präsident George W. Bushs Secret Service die von Queen Victoria gezüchteten Rosen niedertrampelte, aber ich ärgerte mich eben richtig, wenn ich diskriminiert wurde.
In meinen alten Kleidern fühlte ich mich wieder wie ein Student und auch Simons Augen leuchteten. Die beiden Gentlemen, klischeehaft mit Schirm, grauem Mantel und Melone, versuchten sich nichts anmerken zu lassen, obwohl sie unser Outfit bestimmt als unangemessen empfanden. Wir verließen den Palast durch den Dienstboteneingang des Südflügels. Draußen auf dem Bürgersteig erwarteten uns John und zwei seiner Kollegen, die auffällig unauffällig folgten.
Während wir die Buckingham-Gate-Straße entlanggingen, lenkte Colonel McLey das Gespräch auf das Schweizer Militär, wie oft man da Dienst machen müsse und solche Dinge, bis wir das Pub erreichten. Außer einer Touristengruppe an einem Tisch waren keine Gäste da so mitten am Nachmittag. Der Wirt hinter der Theke putzte an ein paar Gläsern herum und schaute mit großen Augen auf unsere Vierergruppe.
„Du hast eine gute Auswahl“, sagte Simon zum Wirt und deutete auf die Flaschenausstellung. „Gib uns vier Erdinger!“
Ich stupste ihn mit dem Ellbogen in die Seite.
„Vergiss es! Also
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