Plötzlich Royal
an weit anrüchigeren Orten verkehrten. Wenn wir Pinguine dafür nicht ausgestopft werden, soll es mir recht sein.“
„Auf der Banknote ist noch die Queen drauf“, bemerkte der Wirt. Halte sie in Ehren. Die Runde geht selbstverständlich aufs Haus.“
Wie ich von Grant draußen vor dem Pub erfuhr, hortete jeder Brite ein paar alte Banknoten, auf denen noch die Queen abgebildet sei. Ich dürfe das aber nicht persönlich nehmen.
Wir gingen gemeinsam zurück zum Palast und Simon und ich schlichen über den Dienstbotenweg hoch ins Zimmer. Dort zogen wir wieder die pechschwarze und als Jeans nicht gleich erkennbare Hose an, dazu das weiße Hemd mit Krawatte und alles, was dazugehörte, und schon mussten wir an den Gemälden und dem Goldstuck vorbeirennen, um Punkt fünf am Teezimmer zu sein. Dreimal durchatmen vor der Tür, dann durfte der Butler öffnen.
„King Alexander IV. and the Prince Consort. Your Majesty, Earl Amble!“
Der Earl war selbstverständlich ein vollendeter Gentleman, gar nicht einmal so alt, und ich bemühte mich, an all die Regeln zu denken, die ich auf der Internetseite von Sir Wilfried und Sir Geoffrey damals vor der Verlobungsparty meiner Schwester mit einem pubertären Grinsen gelesen hatte. Den verdienten Earl, der die Queen zuletzt als Earl Binnesters Vorgänger begleitet hatte, durfte ich keinesfalls vor den Kopf stoßen.
Zum Schluss meinte der Earl, dass dies eine ganz passable Audienz gewesen sei; nach all den Vorwarnungen hätte er Schlimmeres erwartet. Simon beachtete er gerade so weit, wie es die Etikette unbedingt erforderte.
Wir gingen zurück in unser Büro, Grant kam gleich zu uns herüber mit dem Körbchen in den Händen.
„Wie war die Audienz?“
„Wir haben mit einem ‚genügend‘ bestanden“, gab ich ernsthaft zur Antwort.
„Was hat er genau gesagt?“, fragte Grant weiter.
„Respekt, junger König, das war schon ganz ordentlich. Immer daran denken, wie die Queen sich verhalten hätte“, gab ich den Wortlaut Earl Ambles wieder.
„Ja, das war ein ‚genügend‘. Könnten Sie bitte das Memo durchlesen?“
Ich nahm den Computerausdruck aus dem Körbchen, während Grant einmal mehr seine Brille kurz anhob.
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Königlichen Haushalts,
seit gestern haben wir die Ehre, einem neuen König zu dienen, und müssen nun vorwärtsblicken, obwohl der tragische Tod von König George noch an unseren Herzen nagt. Mit dem neuen König Sascha, den wir im Alltag so vertraulich nennen dürfen, hat auch die neue Zeit mit ihrem Wertesystem bei uns Einzug gehalten. Seine Majestät lebt offen in einer homosexuellen Beziehung mit Mr Simon McTombreck (Prince Simon im Alltag, His Highness the Prince Consort offiziell). Dies ist kein diskret zu wahrendes Geheimnis, sondern diese Beziehung ist legalisiert durch die schweizerische eingetragene Partnerschaft und die britische Civil Union. Dies sind Gesetze, die Rechte und Pflichten der Partner regeln. Wie die Ehe kann diese Verbindung nur durch Gerichtsentscheid geschieden werden. Sie ist also viel bindender als ein Konkubinat.
Ich bitte Sie, geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um einen respektvollen Umgang mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe. Nun ist dieser Respekt gleichzusetzen mit dem Respekt vor Seiner Majestät und der Krone.
Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Beachtung.
Clark Grant, Private Secretary to the Sovereign.
Sollte ich es ergänzen, mit der Möglichkeit zu kündigen? Nein, er würde seine Gründe haben, das nicht zu erwähnen. Es wäre jetzt viel wichtiger, Grant zu zeigen, dass ich ihm vertraute, als hier pedantisch zu sein, dachte ich mir.
„Vielen Dank, hervorragende Arbeit. Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Feierabend“, schloss ich den Arbeitstag ab und reichte ihm das Körbchen.
„Ich danke Ihnen. Ihre Termine finden Sie auch im Outlook-Kalender. Bis morgen um neun Uhr.“ Er ging mit seinem Körbchen hinaus. Damit war der erste Tag gelaufen, glaubte ich.
Dinner for Mum
Feierabend! Nachdem Grant eben gegangen war, klickte ich den Kalender an. Um zwanzig Uhr war Abendessen: „Züri-Geschnetzeltes“ stand da. Na, mal sehen, was die Engländer darunter verstanden, schmunzelte ich innerlich. Als Teilnehmer waren in der Tat nur wir beide und das Findelkind Timm aufgeführt. Garderobe: „So bequem, wie Sie es mögen.“ Was sollte ich nun mit den etwa vierhundert Mails machen, die mir die beleidigte Nanny weitergeleitet hatte? Ich
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