Plötzlich Royal
vier Ale“, korrigierte sich Simon. Ein deutsches Bier in diesem Moment wäre eine unverzeihliche Sünde gewesen.
Die Biere rutschten über die Theke zu uns. Nachdem alle das Gebräu vor sich hatten, standen die beiden Gentlemen und dann auch Simon vom Hocker auf.
„Auf den jungen König! Gott schütze den König!“
„Auf euch, das beste Personal, das ein junger König sich wünschen kann!“
Der Wirt schaute mich, den frechen, blonden Kerl in der Jeansjacke, böse an.
„Überleg doch mal! Welcher Brite darf den Trinkspruch ‚Gott schütze den König‘ erwidern?“, fragte ihn der Colonel.
„Verzeihung, Majestät, ich bin schon etwas dusselig.“ Er schenkte sich auch ein Glas ein und rief: „Gott schütze Sascha und Simon!“, prostete er, und wir stießen an.
„Leute, wie kriegen wir die Kurve? Colonel?“, fragte ich unköniglich, nachdem wir die Gläser wieder abgesetzt hatten. Der Colonel wischte sich etwas Schaum aus dem Schnurrbart und meinte dann: „Ich begrüße es, dass wir hier einen Weg gefunden haben, Probleme offen zu diskutieren. Sicher ist es eine andere Welt als dereinst mit Ihrer Majestät und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für junge energiegeladene Männer wie Sie beide ein Kulturschock ist gegenüber Ihrem Studentenleben in Zürich.“
„Ja und nein. Auch als Student ist man meistens am Arbeiten, sogar sehr viel und diszipliniert, sonst schafft man die Prüfungen nicht an der ETH.“
„ETH?“, fragte der Wirt, der unverschämterweise zugehört hatte. Die Gentlemen trauten sich nicht, ihn wegzuschicken, da es mir guttat, einen Mann des Volkes einzubeziehen.
„Eidgenössische Technische Hochschule, die beste Uni auf dem Kontinent. Jedenfalls habe ich dort eben den Master of Science in Physik gemacht, zusammen mit meinem schweigsamen Freund.“
„Och, du redest für uns beide“, meinte Simon daraufhin. Wir fühlten uns hier mit jedem Moment besser.
„Wo drückt denn im Palast der Schuh? Harte Arbeit seid ihr beide ja also gewohnt“, fragte der Wirt weiter.
„Wir hatten zuletzt zwei Monarchen, die eher eine konservative bis religiös-konservative Umgebung bevorzugten“, erklärte Mr Grant. „Seine Majestät vertritt eine eher linksliberale Lebenseinstellung.“
„Wir haben eben gedacht, wir hätten viel mehr Zeit und mit dem jungen Schweizer müsse sich erst die nächste Generation auseinandersetzen. Aber nun sind wir hier.“
„Schweigsamer, wo klemmt es? Die Schweigsamen sind doch gute Beobachter“, wandte sich der Wirt an Simon. Der trank einen kräftigen Schluck.
„Edward VIII., der nach ein paar Monaten auf dem Thron abdanken musste, um seine Herzensdame heiraten zu können, zeigt das Problem doch sehr gut. Skandal! Man gehört nicht zu den Gewöhnlichen, die einfach so heiraten, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Erst mit dem Dreieck Charles-Diana-Camilla lockerte sich das. Er ist ein großer Mann, der Prince Charles.“
„Auf His Royal Highness Charles!“, prostete Grant. Wieder stießen die Gläser zusammen.
Simon fuhr fort: „Wir dürfen natürlich nicht schwul sein wie die Gewöhnlichen. Wenn ich helfen kann, mach ich die Rolle des Prince Consort. Wäre eine große Ehre, aber nicht unter Dauermobbing, dann lieber das Flugticket nach Zürich.“
„Nee, meine Blonden, das Ticket ist nicht. Den ersten offen schwulen König, das wirst du nicht aufgeben, und ihr beiden Pinguine werdet ausgestopft und im Buckingham-Museum ausgestellt. Die Leute wollen bestimmt die Typen anglotzen, die die Monarchie gegen die Wand gefahren haben“, polterte der Wirt.
„Jetzt wäre doch eine gute Gelegenheit, in der Küche aufzuräumen!“, riet ihm der Colonel mit Nachdruck, und der Wirt zog es nun vor, die Gläser fertig zu polieren.
„Er denkt wohl, er sei das einzige Pub in London. Frechheit!“, grollte McLey. „Aber wo er recht hat, hat er recht. Wenn der Empfang des Diplomatischen Corps platzt, stopft uns Cramer alle vier eigenhändig aus.“
„Sechs, die bigotte Nanny und Binnester wird er nicht vergessen“, hoffte Simon. Wir lachten mit viel Galgenhumor.
„Viertel nach vier, um fünf kommt Earl Amble zum Tee. Der fällt in Ohnmacht, wenn er mich so sieht“, fürchtete ich und zog zwanzig Pfund aus der Brieftasche, um zu bezahlen.
„Für die ganze Runde. Das Wechselgeld werde ich später aufbrauchen, ich komm wieder, oder?“ Ich blickte fragend den Colonel an.
„Ach, wissen Sie. In der Geschichte gab es britische Könige, die
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