Plötzlich Royal
entsprechend markieren. Ist es Ihnen recht, wenn ich davon berichte?“
„Kein Problem, fahren Sie fort“, versuchte ich freundlich zu sein. Das war ein Fehler. Sie begann mit einem kleinlich-pedantischen Vortrag, wie sie die Post fein abgestuft sortiere, von polizeilich relevanter Drohung bis zur perfekten höflichen Korrespondenz eines Lords. Danach sortiere sie anhand der Kategorien nach inhaltlicher Relevanz: ob ein Standardbrief ausreiche, eine individuelle Antwort eines Mitarbeiters notwendig sei oder ob sogar der Souverän von dem Brief in Kenntnis gesetzt werden müsse.
„Ist das in Ihrem Sinne?“, schloss sie den für uns ermüdenden Vortrag.
„Sicher“, sagte Simon schnell, doch mir war es nicht genug, einfach zuzustimmen, nur damit die Spinatwachtel wieder verschwand.
„Könnten Sie eine Kategorie Pink einführen? Hilferufe von homosexuellen Personen in Not möchte ich sehen, bevor Sie sie an ein Hilfswerk weiterleiten“, verlangte ich. „Geschwafel von Schwulen über unsere Kleider – oder was weiß ich – muss ich nicht sehen. Vielleicht können wir eine spezielle Standardantwort für Briefe von LGBT-Personen einführen.“
„Korrespondenz betreffend gleichgeschlechtlichem Privatleben oder der Agenda dieser Leute wie beispielsweise Anfragen von diesem unmöglichen Lobbyisten Peter Tatchell ist dem Monarchen nicht zuzumuten und werden ohne Antwort vernichtet. Der königliche Haushalt hat sich schon immer an diese Regel gehalten.“
„Halten Sie mich für den neuen Auszubildenden?“, wurde ich nun ärgerlich, da Peter Tatchell einer der angesehensten Aktivisten war.
„Selbstverständlich nicht, Sire. Dann müssten aber mehrere Kategorien eingeführt werden, denn pro Kategorie ist nur eine Verfahrensweise möglich.“
„Markieren Sie alles, was nicht beleidigend ist und Homosexualität anspricht, pink und geben Sie es mir“, bot Simon an.
„Dann wären noch die Briefe, die es bis auf Ihr Pult schaffen, Sire. Das Meiste sind Einladungen. Da notieren Sie bitte Ihr Interesse darauf von groß bis nein. Dann wird es an die Terminplanung weitergereicht.“
Sie sagte es und schob mir ein geflochtenes Körbchen mit Briefen herüber, das jenem aus dem Film The Queen verdächtig ähnlich sah. Ich nickte und setzte mich mit der Post an mein Pult, während Simon das mit den Pink-Briefen ausmachte. Jetzt ging wohl die Alltagsarbeit los, fürchtete ich und nahm den ersten Brief in die Hand: eine Einkaufszentrums-Eröffnung, „eher nein“, die Eröffnung eines Schwimmbades in einer schottischen Gemeinde, „eher nein“, eines Altenheims, „eher nein“, eines Dinosauriermuseums, „eher ja“, einer Tausendjahrfeier, „ja“. Obwohl uninteressant, konnte da der König nicht fehlen. Jahrestagung der Royal Astronomical Society: „unbedingt ja!“ Ein so guter Student war ich nicht gewesen, dass ich es auf dem wissenschaftlichen Wege je zu einer Einladung geschafft hätte. Dann folgten noch vier Bitten von Lokalpolitikern, einmal zum Tee eingeladen zu werden.
„Ms Pearce, könnten Sie jeweils bei Politikern für den Fünfuhrtee deren Wikipedia-Seite mit ausdrucken und anheften?“, bat ich und machte keinen Vermerk drauf. Dann folgte die Kategorie Privatpersonen. Ein Briefchen eines Sechsjährigen mit einer Zeichnung. Ich nahm eine Postkarte vom Stapel, schrieb einen Gruß, log darin, dass die Zeichnung sehr schön sei, heftete die Karte an den Brief und legte beides wieder zurück in das Körbchen. Dann ein Brief eines Sirs mit Adelswappen. Ich kapierte nicht ganz, was er eigentlich wollte, doch offensichtlich war er prominent oder sein Adelswappen hatte ihn immun gegen die Filter der Post-Nanny gemacht. So bedankte ich mich auf der nächsten handschriftlichen Postkarte für den inspirierenden Brief. Das nächste Schreiben kam von der Neuen Methodistischen Kirche und enthielt genau das, was ich schon angesichts des Briefkopfes befürchtet hatte, nämlich eine zwar höfliche, aber deutliche Mahnung zur Umkehr mit den üblichen Bibelzitaten. Ich blickte auf und sah zum Konferenztisch hinüber. Dort schien das Verfassen eines Standard-Antwortbriefes auf Pink-Mails nicht voranzukommen. Die etlichen zusammengeknüllten Blätter auf dem Boden sprachen jedenfalls dafür.
„Ms Pearce, darf ich fragen, ob Sie einer Glaubensgemeinschaft angehören?“
„Der Neuen Methodistischen Kirche“, kam schnell und fest das Bekenntnis.
„Ich möchte es militärisch ausdrücken. Das, was Sie mir
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