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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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sollte.
    «Haben Sie das bei der Gräfin auch gemacht?», fragte ich vorsichtig.
    «Ich habe es versucht, aber nachdem ich sie hochgehoben hatte, kam eine Kleinigkeit dazwischen...»
    «Was für eine Kleinigkeit?» «Sie trat mir ins Gemächt.»
    «Solche Reaktionen der Damenwelt kenne ich nur zu gut.»
    «Das Gemächt war aber jetzt nicht die Kleinigkeit?», fragte ich durcheinander.
    «Ich glaube nicht», kommentierte ich amüsiert.
    «Nein», erwiderte Essex, leicht angefressen, «der Tritt der Gräfin war damit gemeint.»
    Ich räusperte mich verlegen und versuchte ihn dann wieder auf die Spur zu bringen: «Sie müssen kein perfektes Gedicht schreiben, es muss genau genommen gar kein Gedicht sein, wichtig ist doch nur, dass Ihre Worte von Herzen kommen, nicht wahr?»
    Essex verstand nicht ganz, was ich damit meinte.
    «Versuchen Sie es mal. Stellen Sie sich vor, ich bin die Gräfin», bot ich an. Wenn wir Lehrer-Fortbildungen hatten, zwangen uns die Coaches auch immer in Rollenspiele, und die machten überraschenderweise manchmal sogar Sinn. Eventuell konnte ich ja Essex auch mit so einem Rollenspiel auf die Sprünge helfen.
    «Sie ... sind die Gräfin?», fragte er irritiert.
    «Ja, wie bei einem Schauspiel.»
    Der Earl nickte, das verstand er. Jeder in diesem Jahrhundert schien das Theater zu lieben. Es war ein echtes Massenmedium.
    «Sagen Sie, was Sie für mich empfinden», munterte ich ihn auf.
    «Für Sie?», fragte er irritiert.
    «Ich erkläre es Ihnen noch einmal», er war wirklich etwas schwer von Begriff.«Ich bin in diesem Augenblick kein Mann, ich bin für Sie jetzt die Gräfin, die Sie so verehren.»
    Der Earl war unsicher: «Ich weiß nicht...»
    «Versuchen Sie es. Lassen Sie Ihre Phantasie spielen.»
    «Soldaten besitzen keine Phantasie, Rosa.»
    Essex zögerte: «Aber... ich bin im Umgang mit Worten nicht so erfahren.»
    «Ich bin mir sicher, dass Sie der Gräfin Ihre Liebe auch ohne Gedicht gestehen könnten», munterte ich Essex auf.
    Der Earl wurde nun sehr nervös.
    «Was haben Sie zu verlieren?», fragte ich.
    Er überlegte, nahm noch einen großen Schluck Rotwein, dann stellte er die Flasche beiseite, musste sich noch einen Ruck geben und baute sich dann vor mir auf: «Gräfin...», stammelte er nun völlig nervös.
    Er war wirklich süß, wenn er so nervös war.
    «Ja?», fragte ich nach. Mir machte diese Art Spiel tatsächlich Freude.
    Er sah mir nun in die Augen und erklärte aus tiefstem Herzen: «Gräfin, Sie sind das schönste, wundervollste und großartigste Wesen, das ich je erblickt habe.»
    Ich hatte jahrelang keine Komplimente mehr von Jan gehört. Daher trafen mich seine Worte jetzt mit voller Wucht. Es war so schön, sie von einem Mann zu hören, dessen Körper so aussah wie Jan und der sogar noch dessen Seele bewohnte.
    «Ich... ich...» Er hörte auf zu reden, von seinen eigenen Gefühlen übermannt. Dank des Alkohols hatte er sich nun so richtig in die Situation hineinfallen lassen.
    «Was wollen Sie sagen?», fragte ich nach und trat näher an ihn heran. Uns trennten nur noch wenige Zentimeter. Es knisterte im Raum. Wie bei einem ersten Date. Besser gesagt: Wie am Ende eines ersten, großartigen Dates. Wie damals bei Jan und mir am Meer. Unmittelbar vor unserem ersten Kuss.
    «Ähem, Rosa... was genau geht hier vor?», fragte ich entsetzt.
    Ich hörte Shakespeare schon gar nicht mehr, dafür aber den Earl: «Ich ... ich ... liebe Sie», hauchte er nun voller Gefühl und betrachtete mich dabei schmachtend. Wie lange hatte ich mich danach gesehnt, diese Worte wieder zu hören! Und auch wenn sie gerade in der skurrilsten aller nur denkbaren Situationen fielen, war es einfach wunderschön.
    «Ich... dich auch», erwiderte ich, von meinen eigenen Gefühlen übermannt, und vergaß ganz, den Earl zu siezen.
     
    Oh, mein Gott, das hatte mir gerade noch gefehlt, Rosa war in den Earl verliebt.
     
    Unsere Gesichter waren nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt, und der Earl lächelte selig, tief in unser Rollenspiel versunken: «Ist das wahr?»
    Aus tiefstem Herzen antwortete ich: «Ja.»
    «Nein!!!»
    «Du liebst mich auch?», fragte der Earl verklärt lächelnd, auch er verzichtete auf das .
    «Auf gar keinen Fall!»
    In Essex' Augen ... Jans Augen ... zu sehen, verzauberte mich. Wie von Sinnen näherten sich meine Lippen den seinen. Er wich nicht aus. Auch er war von Sinnen. Vom vielen Alkohol. Von seinen Gefühlen für die Gräfin.
    «Es ist so schön zu hören,

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