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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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nieder,
    Oft ist verdunkelt seine goldne Bahn,
     
    «Jetzt müssen wir etwas finden,
     das sich auf reimt, Rosa.»
     
    Er nannte mich nicht mehr < Geist >, sondern endlich Rosa. Das erfüllte mich ebenfalls mit Freude, und ich begann mit ihm gemeinsam nach einem Reim zu suchen: «Lieder...
    «... verblühender Flieder...»
    «... grässliche Mieder...»
    «... erregte Glieder...»
    «An Letzteren habe ich kein Interesse», erwähnte ich mit Blick auf meinen Schoß und schlug vor: «Wie wäre es, wenn wir über den Sommer sagen: < All seine Schönheit schwindet wieder>?»
    «Sehr gut! »jubelte ich. «Nur das Versmaß stimmt nicht ganz, so ist es besser:
     
    Oft blickt zu heiß des Himmels Auge nieder,
    Oft ist verdunkelt seine goldne Bahn,
    Denn alle Schönheit blüht und schwindet wieder,
    Ist wechselndem Geschicke Untertan.»
     
    Rosa schrieb die Verse mit flinker Feder auf. Ich betrachtete die Zeilen. Sie waren wirklich gut. Es war erstaunlich, verrückt, herzerwärmend. Hin und weg, sagte ich: «So gut habe ich noch nie geschrieben.»
    «Fragen Sie mich mal!»
    «So nah, wie wir beide uns inzwischen gekommen sind, könnten wir uns auch mit anreden», bot ich Rosa im Überschwang meiner Gefühle an.
    «Okay...», erwiderte ich und fühlte mich geschmeichelt. Gut, er hatte mich die ganze Zeit geduzt. Aber jetzt durfte ich es bei ihm auch tun: «Du weißt ja schon, ich heiße Rosa.»
    «Angenehm, William.»
    «Ja, ich weiß», grinste ich. Auf mit Shakespeare - jeder Theaterwissenschaftler würde vor Neid erblassen.
    «Warst du, als du noch lebtest, auch ein Dichter, Rosa?», begehrte ich nun zu wissen.
    Ich fragte mich, ob ich ihm jetzt erklären sollte, dass ich aus der Zukunft stammte. Aber ich hatte genug Zeitreise-Filme wie gesehen, um zu wissen, dass ich dadurch einiges durcheinanderbringen könnte. Würde ich Shakespeare vom Leben in unserem Jahrtausend erzählen, könnte das den Lauf der Zeit verändern. Vielleicht würde er dann wie Nostradamus ein Buch schreiben, in dem er die nachfolgenden Generationen vor vielen Katastrophen warnt: Kriege, Flugzeugunglücke, Dieter Bohlen ...
    Das wäre vielleicht nicht schlecht, aber nur auf den ersten Blick. Denn auch das wusste man aus den Zeitreisefilmen: Immer wenn jemand versuchte, die Zukunft zum Positiven zu beeinflussen, ging es schief, und man landete in einer komplett veränderten Gegenwart. Eine, in der vielleicht Erich Honecker Gesamtdeutschland regierte. Oder Joseph Goebbels. Oder gar Florian Silbereisen. Daher ging ich mit meinen Infos spärlich um und antwortete lediglich: «Ich bin Lehrerin.»
    «Der niederträchtigste Berufsstand der Welt.»
    Na toll, selbst hier hatten Lehrer kein hohes Ansehen. Fehlte nur noch, dass ich mir jetzt anhören musste, dass wir zu viele Ferien hatten. Etwas genervt verteidigte ich mich: «Also, es gibt ja wohl noch den einen oder anderen Beruf, der niederträchtiger ist.»
    «Mein Rivale Marlowe war kurze Zeit im Tower eingesperrt. Als er herauskam, erklärte er mit Bravade: Die Folterer waren nicht so fürchterlich wie einst mein Lateinlehrer.»
    Was sollte ich darauf antworten? Den Lehrer-Beruf verteidigen, den ich selbst nicht mochte? Ich blickte stattdessen wieder auf das Gedicht: «Es ist wirklich schön ...»
    «Man kann wahrlich zufrieden sein, selbst wenn es noch nicht fertig ist.»
    «Anscheinend sind wir ein gutes Team», stellte ich fest.
     
    Ein Team. Dies war ein erstaunlicher, aber ein durchaus zutreffender Gedanke, jedenfalls, was das Schreiben betraf. Daher sagte ich:«Wer hätte das gedacht?»
    «Ja», sagte ich genauso verblüfft wie Shakespeare, «wer hätte das gedacht?»
    Bestimmt nicht mein Deutschlehrer.
     

29
    Ich erfuhr, dass wir an einem Sonett arbeiteten: ein vierstrophiges Gedicht mit vierzehn Zeilen - es fehlten uns also noch sechs bis zur Vollendung. Während ich Shakespeares Erklärungen lauschte, näherten sich draußen wieder Schritte. Kräftige Männerschritte!
    Wollten die Kapuzenmänner etwa wiederkommen? Oder waren es doch die Leute von Phoebes Vater? Würden die meine Impotenz-Geschichte glauben? Oder würden sie mich aus dem Fenster werfen, bevor ich sagen konnte.
    «Au Mann, die kommen bestimmt wegen Phoebe», stöhnte ich auf.
    «Phoebe?», fragte ich entsetzt, «warum sollten sie wegen Phoebe kommen? Und wen meinst du mit ? Himmel, was hast du angestellt, Rosa?»
    «Das erkläre ich dir

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