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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Leugnen mehr: Zwischen unseren Seelen gab es wirklich eine Verbindung! Eine, die über die Zeiten hinweg Bestand hatte. Und sogar über die Geschlechtergrenzen.
     

31
    Natürlich reagieren Menschen in Extremsituationen extrem. Und wenn wir hier heil herauskommen würden, durfte mich Essex meinetwegen auch gerne küssen. Von mir aus konnte er wie eine Töle mit der Zunge mein Gesicht abschlecken. Aber dies hier war keineswegs der richtige Zeitpunkt! Daher rief ich aus:«Wir müssen hier weg, Rosa!»
     
    Shakespeare hatte recht, dennoch gefiel es mir nicht, zerstörte er doch damit den magischen Moment.
    «Wir sollten aufstehen», sagte ich zu Essex. Der nickte bestätigend. Wir rappelten uns auf und rannten nun aus der leeren Wohnung ins Treppenhaus, das ebenfalls schon lichterloh brannte. Überall gab es schwarzen Rauch, man konnte kaum noch etwas erkennen. Wir stolperten die Treppen runter, aber es wurde immer schwerer zu atmen. Der Rauch wurde immer dicker, verstopfte einem die Lunge. Überraschenderweise war es Essex, der sich damit noch schwerer tat.
     
    Ein Schauspielerkörper, der sich jeden Tag auf der Bühne seine Seele aus dem Leib spielt, ist nun mal besser in Form als jeder Soldat.
     
    Ich stützte Essex, der langsam das Bewusstsein verlor. Doch auch ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten und wurde von schweren Hustenkrämpfen geschüttelt. Aber ich konnte Essex ja auch nicht hier lassen. Dazu liebte ich ihn - oder Jan... oder seine Seele ... viel zu sehr. So zog ich den bewusstlosen Mann röchelnd die Treppen runter. Durch den schweren Rauch erkannte ich schemenhaft die Tür. Ich nahm die letzte Stufe, es waren nur noch wenige Meter bis in die Freiheit. Doch der Rauch wurde immer zäher und ätzender, ich hustete schwer und hatte das Gefühl, kleine Teerklumpen auszuspucken. Mir wurde schwindelig, von Sekunde zu Sekunde schwand mein Bewusstsein. Mit letzter Kraft erreichte ich die Tür. Ich tastete durch den schwarzen Rauch nach der Klinke. Meine Hand glitt über das Holz der Tür auf der Suche nach dem Griff. Das Holz war schon heiß, an meinen Fingern spürte ich dicken, klebrigen Ruß ... da erfasste ich endlich die Klinke! Ich wollte sie mit letzter Kraft runterdrücken ... nur um dabei festzustellen, dass ich gar keine letzte Kraft mehr besaß. Ich brach zusammen, mit dem ohnmächtigen Essex in meinen Armen, genau vor der Tür, wenige Zentimeter vor der Rettung. Wir beide würden jetzt gemeinsam ersticken. Oder verbrennen. Was immer auch zuerst geschah. Und mein letzter Gedanke war: ein Tod wie in einer großen Liebestragödie. Wenn man mal von dem Geruch der Decke absah.
     
    Hätten die beiden Tölpel sich nicht zuvor so lange verliebt in die Augen gestarrt, wären wir jetzt gerettet gewesen, statt vor der Tür elendig zu verenden. Doch es gab ein Glück in diesem schier unermesslichen Unglück: Da Rosa ohnmächtig wurde, konnte ich plötzlich meinen Körper wieder spüren. Völlig überrascht versuchte ich meine Finger zu bewegen... es gelang! Ich konnte meine Gliedmaßen wieder kontrollieren! Welche unfassbare Freude! Trotz der Hitze und der Lebensgefahr war ich überglücklich, nicht mehr in meinem Hirn gefangen zu sein. Es war jedoch eine Ironie des Schicksals, dass ich dank meiner Euphorie wertvolle Sekunden vertrödelte, indem ich glücklich meine Finger auf und ab bewegte wie ein kleines Kind beim heiteren Zahlenreim. Als ich mich aufrappeln wollte, raubte mir der Rauch das Bewusstsein, und ich brach zusammen. Wenige Zentimeter vor meiner Haustür. Hier, so mein letzter Gedanke, würde also mein Leben enden, in den Armen eines Soldaten. Dies war kein Ende einer großen Tragödie, auch nicht das einer großen Komödie. Für mein törichtes Handeln musste es einen neuen Begriff geben: Es war eine Trottelei!
     

32
    «will ...», hörte ich aus der Ferne jemanden sagen.
    «WILL!»Der Ruf wurde lauter.
    «WILL!!!»
    Ich traute mich nicht, die Augen zu öffnen. Wo war ich? Bei Prospero im Zirkuswagen? Oder in einem neuen Leben im Haushalt von Britney Spears? Aber weder Prospero noch Britney hätten mich genannt. Außerdem war mir immer noch heiß, und ich konnte kaum atmen, war also immer noch in dem völlig verrauchten Treppenhaus. Ich gab meinen Augen den Befehl, sich zu öffnen, und schemenhaft erkannte ich durch den schwarzen Rauch eine große, dicke Gestalt: Es war Kempe! Er hatte die Tür aufgestoßen und zog mich vom Boden an den Armen hoch.
    «Ich hol dich raus»,

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