Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
Vom Netzwerk:
und legten ihn dort ab. Kempe verabschiedete sich, um seine Mission Syphilis durchzuführen. Shakespeare sprach noch immer nicht mit mir. Da stand ich also ganz allein in dem Theater, das eine ganz andere Atmosphäre aufwies als zuvor. Es war ruhig, die begeisterte aufgewühlte Menge, die am späten Nachmittag mit den Akteuren auf der Bühne mitgefiebert und sich dabei so prächtig amüsiert hatte, lag längst in ihren Betten. Mond und Sterne leuchteten über dem offenen Dach, so hell, wie ich es noch nie gesehen hatte, noch nicht mal damals mit Jan am Meer. Dieser Anblick war einer der Vorteile davon, sich in einem Jahrhundert ohne Umweltprobleme zu befinden. Die einzige Luftverschmutzung ging von meinen verrauchten Klamotten aus, die ich dringend wechseln musste. Doch da mir das in meinem Männerkörper sicher genauso viel Freude bereiten würde wie zuvor das Entleeren der Blase, wartete ich noch ein bisschen damit. Stattdessen atmete ich tief durch und versuchte meine Gedanken zu ordnen: Ich hatte hier schon viel über die Liebe gelernt: dass es Seelen gab, die füreinander über alle Zeiten hinweg bestimmt waren. Auch wenn ich noch nicht genau wusste, ob Jan für mich bestimmt war oder für Olivia. Sicher waren Jans und meine Seelen irgendwie miteinander verbunden, so viel war nun klar. Aber ich fragte mich doch: War ich wirklich seine große ewige Liebe oder nur die Versuchung, die die wahre Liebe behinderte? Eine, die ihn immer nur in Extremsituationen heimsuchte: als er damals bei Sylt kurz vor dem Ertrinken war und nun eben in Shakespeares Haus kurz vor dem Flammentod.
    Ich hatte auch gelernt, dass ich meine Liebe zu meinem besten - und einzigen - Freund nicht ausreichend gepflegt hatte. Und dass das Leben viel zu kurz war, um es nicht zu genießen, obwohl ich nicht so genau wusste, wie ich es genießen sollte. Aber augenscheinlich hatte ich trotz allem noch nicht genug über die wahre Liebe gelernt, um in die Gegenwart zurückzukehren.
    Ich seufzte, blickte mich um, ging hinter die Bühne und sah dort einen kleinen Schreibtisch mit einer Kerze, Feder und Tinte. Genau so einer, wie er bei Shakespeare in der Wohnung stand. Höchstwahrscheinlich schrieb er hier gelegentlich noch ein paar Änderungen für seine Stücke. Ich beugte mich über die Papiere und sah hingekritzelte einzelne Sätze wie:
    Ich schmunzelte und erinnerte mich daran, dass ich noch etwas über die Liebe gelernt hatte: dass ich es liebte zu schreiben.
    Ich zog aus meiner Hemdtasche das angefangene Sonett und freute mich, dass das Papier zwar an den Seiten leicht angekokelt, aber ansonsten noch heil war. Ich zündete die Kerze an und breitete das Papier auf dem Schreibtisch aus. Etwas Ruß rieselte von dem Hemd auf das Papier. Mit einem Mal hörte ich:
    «Das Papier wird schmutzig.»
    «Himmel!», schrie ich erschrocken auf und schimpfte: «Du hast echt ein Faible für Überraschungsmomente.»
    «Moment, Moment, wer hat denn hier wen geschockt? Ich war es nicht, der einen Mann geküsst hat!»
    «Na ja... wenn man es genau nimmt, warst du es schon», gab ich zu bedenken, «es war dein Körper.»
    «Ich glaub nicht, dass ich daran erinnert werden möchte.»
    «Du hast damit angefangen.»
    « Und ich hör auch sofort wieder damit auf.»
    «Gute Idee.»
    «Aber ich fände es erfreulich, wenn du nie wieder einen Mann küssen würdest.»
    Da ich Shakespeare dies nicht versprechen konnte, schwieg ich. Nach einer Weile schlug er vor:
    «Wir sollten die Kleidung wechseln.»
    «Was?»
    «Wir sollten die Kleidung wechseln und uns waschen.»
    «Ich bin eine Frau und denke gar nicht daran, einen fremden Mann auszuziehen, selbst wenn ich in seinem Körper stecke», stellte ich klar.
    «Aber so verrußt können wir wohl kaum vor die Gräfin Maria treten und unseren Auftrag erfüllen. Und wenn wir dies nicht tun, landen wir im Tower.»
    «Ich habe mir sagen lassen, da soll es weniger schlimm sein als in der Schule», ätzte ich, wohl wissend, dass der Mann recht hatte. Ich musste die Klamotten wechseln und mich waschen. Bestimmt erklärte ich: «Aber die Unterhose bleibt an.»
    «Was ist eine Unterhose?»
    «Wie
    «Ich habe dieses Wort noch nie gehört.»
    «Du weißt nicht, was eine Unterhose ist?» Ich konnte es nicht fassen. Ich war in einem Jahrhundert gelandet, in dem die Unterhose noch nicht erfunden war!
    «Was ist also eine Unterhose?», fragte ich nochmal.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher