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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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ich den Kleinen schnell, und er flüsterte: «Ich hab dich so vermisst.» Dabei drückte er sich ganz fest an mich. Mir war klar, was ich zu antworten hatte: «Ich dich auch ... ich dich auch ...»
    Nun drückte er sich noch viel fester an mich.
    «Danke, Rosa...»
    Shakespeares Stimme zitterte, als er dies sagte. Hörte ich da etwa Tränen in seiner Stimme? Höchstwahrscheinlich war das, was Shakespeare in diesem Moment empfand, die wahre Liebe: die Liebe zu seinem Kind.
    Jan und ich hatten auch über Kinder nachgedacht, die Umsetzung jedoch immer auf unbestimmte Zukunft verschoben. Wir hielten uns mit Anfang dreißig noch für so jung. Jetzt würde er mit Olivia Kinder bekommen, während sich meine biologische Uhr im schnellen Vorlauf befand. Da hatte ich doch schon gleich wieder etwas begriffen: Hätte ich meine kostbare Lebenszeit nicht verplempert, wäre ich schon längst Mama gewesen.
    «Bitte ... bitte ... geh nicht wieder weg...», flüsterte der kleine Hamnet, und die Tränen kullerten über seine Wange.
    Was sollte ich darauf nun antworten?
     
    Was hätte ich selbst darauf geantwortet, wenn ich Macht über meinen Körper gehabt hätte? Dass ich nur in London Geld verdienen konnte, dass ich ihn und seine Geschwister unmöglich in dem Sündenpfuhl der großen Stadt aufwachsen lassen konnte... ein Kind würde so etwas nie und nimmer begreifen...
     
    «Ich... ich liebe dich, egal, wo ich bin», sagte ich zu dem Kleinen, in Ermangelung einer direkten Antwort auf seine Frage. Und es war ja noch nicht mal richtig gelogen, denn meine Seele liebte den kleinen Jungen, und ich empfand daher tatsächlich etwas für dieses blasse Kind.
    «Das war eine gute Antwort.»
    Shakespeare hatte jetzt definitiv Tränen in der Stimme. Hamnet hingegen beruhigte sich: Er wischte sich die Tränen aus den Augen und nahm - fast schon ein bisschen geschäftsmäßig - seine Schultasche. Er verstand sehr genau, was mein bedeutete, so wie Kinder eigentlich immer genau spürten, was Erwachsene eigentlich meinten. Hamnet wusste, dass es in diesem Zusammenhang bedeutete. Der Kleine ging ein paar Schritte, drehte sich noch einmal um und antwortete mit traurigen Augen: «Ich liebe dich auch, Papa.»
    Da hätte ich am liebsten selbst losgeheult.
     

42
    Shakespeare tat mir leid, wegen mir konnte er nicht einmal mehr seinen Sohn umarmen. Die ganze Zeit hatte ich gejammert, wie furchtbar die Situation für mich war, aber für ihn musste alles noch viel schrecklicher sein. Daher sagte ich zu ihm: «Entschuldige, dass ich bei dir bin.»
    «Es ist doch nicht deine Schuld, nicht wahr? Es war doch ein Zauberer, der dich zu mir gesandt hat.»
    «Aber der... nennen wir es mal ... wird erst wieder aufgehoben, wenn ich herausgefunden habe, was die ist.»
    «Was ist denn dies für ein außerordentlich geistloser Zauber, der eine solche Bedingung hat?»
    «Ich hab mir den nicht ausgedacht.»
    «Und, hast du mittlerweile herausgefunden, was die ist?»
    «Ich hab einiges über sie herausgefunden: Sie kann die Jahrhunderte überdauern, man kann sein Land lieben, seine Kinder, oder man kann es lieben, so blutige Geschichten zu schreiben wie du mit ...»
    «Hamlet ist eine Komödie, keine », protestierte ich.
    «Noch nicht. Aber wenn du erst mal darauf gekommen bist, dass < Sein oder nicht sein> ein Satz über Selbstmord sein kann...»
    «Selbstmord?... Das ist genial!»
    «Stammt ja auch von dir.»
    «Nein, tut es nicht», erwiderte ich für einen kurzen Moment verwirrt.
    «Noch nicht.»
    «Aber dieser Satz setzt bei mir Gedanken frei», erklärte ich begeistert. «Ich mache Hamlet zur Tragödie, und dann wird er in der Szene, in der er mit seiner Mutter rangelt, tatsächlich mit ihr schlafen...»
    «Das werden die modernen Theaterregisseure lieben ...», schmunzelte ich.
    « Und die Zuschauer erst. Inzest lieben die Leute immer...»
    Ja, das wissen auch die Leute von der Bild-Zeitung.
    «Und Hamlets geliebte Ophelia wird wahnsinnig ... aber Hamlet spielt den Wahnsinn nur ... und der Hofnarr Yorick ist tot und nur noch ein Totenschädel, mit dem Hamlet spricht... was zudem dramaturgisch sehr schön ist, weil der Schauspieler dann zwar einen Monolog hält, aber zugleich etwas ansprechen kann ... dann wirkt es nicht wie bei anderen Monologen, als würde er Selbstgespräche führen ...»
    Das war es also: Der kreative

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