Ploetzlich Shakespeare
absurd gewesen... Wir beide passten ja überhaupt nicht zusammen, wir stammten aus verschiedenen Jahrhunderten, hatten andere Einstellungen zum Leben, und wir hatten ja nicht mal zwei Körper, mit denen man gemeinsam etwas hätte anfangen können. Das Einzige, was wir gemeinsam hatten, war die Seele ... und die Freude am Schreiben ... und die Freude am Plänkeln ... also eigentlich doch jede Menge ... mehr als mit vielen anderen Männern in meinem Leben ... das musste ich schon zugeben ... aber gleich lieben?
Ich liebte doch Jan.
Oder?
Bevor ich Shakespeare irgendetwas Ausweichendes erwidern konnte, führte Bruder Lorenzo mich in die kleine karge Zelle, in der er normalerweise wohnte, und erklärte: «Bruder Marcus war bereit, mir Platz in seiner Kammer zu machen. Ich werde heute Nacht bei ihm schlafen.»
Er zwinkerte mir zu, und daher ging ich mal davon aus, dass er ohnehin häufiger bei Bruder Marcus übernachtete. Ohne den Mönch betrat ich das Zimmer, nahm etwas von der Mahlzeit ein, die mir die Mönche bereitgestellt hatten, selbstgebackenes Brot und Rotwein, und legte mich schweigend auf das Strohlager. Shakespeare verabschiedete sich müde von mir und schlief ein. Ich hätte auch verdammt gerne gepennt. Doch kaum hatte ich die Augen geschlossen, trat Lorenzo in die Kammer. Er sah anscheinend mein erschrockenes Gesicht und sagte: «Keine Angst, ich will dich nicht verführen. Die Zeiten, in denen wir uns küssten, sind vorbei.»
«Wir uns küssten?» Ich war völlig verblüfft: Shakespeare und Lorenzo hatten mal miteinander rumgemacht?
«Du musst das doch nicht verleugnen, Will. Es ist so lange her. Und wir waren Jungen.»
Shakespeare hatte sich also als Teenager einmal sexuell ausprobiert... wer hätte das gedacht?
Ich betrachtete mir den Mönch: Wenn er einem nicht gerade das Gesicht abschlabberte, war er ein sympathischer Kerl. Und er kannte Shakespeare und damit sicher auch die Geschichte mit seiner Frau. Wenn Shakespeare mir schon nicht berichten wollte, was genau in seiner Ehe schief gelaufen war, konnte er es vielleicht tun. Daher begann ich, ihn unauffällig auszufragen: «Ähem, wie geht es meiner Frau?»
«Wie soll es Anne schon gehen?», erwiderte der Mönch, und sein bisher durchgehend fröhliches Gesicht wurde mit einem Male zornig: «Sie ist tot wie immer.»
40
Meine Kehle wurde ganz trocken: Shakespeares Frau war tot?
Lorenzo faltete unterbewusst die Hände, als ob er für sie beten wollte. «Sie war eine so liebliche Person. In ihrer Anwesenheit hatte sogar ich vergessen, dass ich ein Querer war.»
Ich musste unwillkürlich an das Gemälde in Shakespeares Kammer denken, auf dem Mrs. Shakespeare tatsächlich sehr lieblich lächelte. Was war nur mit... wie hieß sie nochmal? Anne? ... geschehen. Wie war sie gestorben? Ich wollte, ich musste mehr erfahren. Daher bat ich: «Lorenzo, bitte tue für einen Augenblick so, als sei ich ein Fremder, und erzähle mir, was zwischen Anne und mir vorgefallen ist.»
«Wieso sollte ich etwas so Törichtes tun?» Lorenzo sah mich besorgt an.
«Weil ich dich aufrichtig darum bitte.» Der Mönch war verwirrt.
Daher bat ich: «Sieh mich an, und du wirst erkennen, dass ich nichts Böses im Sinn habe.»
Lorenzo blickte mich prüfend an und erkannte in meinen Augen, dass sich nichts Arglistiges hinter meinem Wunsch verbarg.
«Du willst also wissen, wie ein Außenstehender die Tragödie eurer Liebe beschreibt, vielleicht gar, wie ein Dichter, wie du selbst einer bist, sie schildern würde?»
«Ja... bitte ...», antwortete ich mit brüchiger Stimme.
«Dann erzähle ich dir nun die Geschichte von der größten Liebe, die es in Stratford-upon-Avon und vermutlich in ganz England jemals gegeben hat.»
Er sagte diese Worte in einem Tonfall, der mich erschaudern ließ.
«Es waren zwei Häuser in Stratford, das Haus des Handschuhmachers Shakespeare und das Haus des Farmers Hathaway, beide gleich an Würde, durch alten Groll verfeindet ...»
«Alter Groll? Was denn für ein alter Groll?», unterbrach ich.
«Dies weiß man bei altem Groll doch nie», erwiderte er lakonisch.
Klang ein bisschen wie bei < Asterix auf Korsika>. Oder wie auf dem Balkan.
Lorenzo fuhr mit seiner Erzählung fort: «Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß das Leben zweier Liebender entsprang. Diese beiden Liebenden verheiratete ich heimlich, gegen den Wunsch ihrer Familien, hier, in dieser Abtei.
Ich hatte die Hoffnung, endlich Frieden zu schließen zwischen den beiden
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