Ploetzlich Shakespeare
eifersüchtig. Und ich wollte bei ihm bleiben. Das alles ließ nur einen einzigen Schluss zu, ich hatte meine Gefühle für Shakespeare endlich sortiert...
Es war kaum zu glauben. Und es erfüllte mich mit Glück...
Das Ergebnis meiner Sortierung war klar ...
Es gab keinerlei Leugnen mehr...
So völlig wahnsinnig es war...
So unfassbar verrückt...
Und angstmachend ...
Furchteinßößend...
Aber auch schön ...
Und aufregend...
Ich liebte ...
Sie Ihn.
Oh je
!
58
Es war sicher nicht die wahre Liebe, die ich für William empfand. Das konnte ja auch nicht sein. Denn, mal ganz ehrlich: Garantiert war eine Beziehung, bei der zwei Menschen in ein und demselben Körper lebten, nicht ganz das Wahre. Aber dies war mir völlig egal. Was ich für Shakespeare fühlte, war mehr, als ich jemals für jemanden empfunden hatte. Und wenn ich mit ihm leben dürfte und er dabei meine Gefühle erwidern sollte, dann würde mich das gewiss mehr als glücklich machen.
Wenn man genau darüber nachdachte, wurde die wahre Liebe jetzt für mich sogar zu einer großen Gefahr. Denn würde ich sie irgendwo per Zufall finden, würde ich wieder in meiner Zeit landen, ganz ohne Shakespeare.
Die wahre Liebe konnte mir also fortan gestohlen bleiben!
All jene Gedanken wühlten mich zutiefst auf. Und ich merkte, dass Shakespeare ebenfalls durcheinander war. Spürte er, was ich für ihn empfand? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden: Ich musste ihm meine Liebe gestehen.
Mit einem Mal wurde mir ganz schlecht. Vor Angst. Jemandem die Liebe zu gestehen, ist ja schon im normalen Leben eine heikle Sache, besonders wenn man von dem Objekt der Begierde - wie ich einstmals mit Anfang zwanzig - die Antwort bekommen sollte: «Oh, du ... ich habe es dir nie gesagt, aber ich bin verheiratet... und da ist ja auch schon meine Straßenbahn ... Tschüss ...»
Passiert einem so etwas, würde man nach Hause fahren, heulen und Ulla Meineckes Aber in dem speziellen Fall von mir und Shakespeare könnte ich nicht einfach abhauen und mich in meinem Bettchen im Selbstmitleid suhlen. Ich würde auf ewig bei ihm bleiben!
«Hey, Barde!», unterbrach urplötzlich eine Stimme meine Gedanken. «Du hast nicht sonderlich gute Arbeit bei der Gräfin geleistet.»
Ich blickte nach unten und sah, wie Essex auf dem Boden saß, den Rücken an die Reling gelehnt und eine Flasche Whiskey in der Hand. Offensichtlich hatte der Earl sich absichtlich vom Fest gestohlen, weil er in seinem Kummer um die Gräfin das fröhliche Treiben nicht ertragen konnte. Es war wieder einmal erstaunlich, diese Langhaar-Strumpfhosen-Version meines Ex-Freundes Jan zu sehen. Diesmal war es aber ganz okay für mich, weil dieser Mann keine Gefühle mehr in mir auslöste. Mein Herz gehörte ihm nicht mehr.
Essex war mir in diesem Moment einerlei, ich überlegte, wie und in welchem Moment ich Rosa meine Liebe gestehen konnte, wenn ich es denn überhaupt wagen sollte. Was war, wenn sie mich zurückwies? In so einem Fall konnte ich mich ja nicht einfach von ihr verabschieden und mich in Hurenhäusern betrinken.
«Wie war es bei der Gräfin?», fragte Essex matt und nahm noch einen Schluck Whiskey.
«Nun, es gab da eine kleine Komplikation», erklärte ich.
«Und welche?», wollte er wissen.
«Ich wollte mich umbringen», erklärte die Gräfin und trat zu uns. Sie trug ein weißes Kleid, in dem sie äußerst würdevoll aussah. Wie eine Braut. Eine sehr, sehr traurige Braut.
«Warum wolltest du dir dein wunderbares Leben nehmen?», rief Essex besorgt aus und sprang sofort auf die Beine.
«Weil dieser Dichter mich nicht liebt», erklärte sie möglichst würdevoll. Essex blickte mich daraufhin schwer eifersüchtig an.
«Liebe Gräfin, in Wahrheit liebt Ihr mich nicht», hob ich an, «Ihr habt Euch nur in meine süßen Worte verliebt. Worte, die Euch berührten, weil Ihr vom Tod Eures Bruders so tief getroffen seid. Ihr habt Trost bei mir gesucht, nicht Liebe. Beides kann man verwechseln.»
Auch das hatte ich gelernt. Und jetzt sollte die Gräfin es lernen. Und anscheinend klappte es: Sie schien schon verunsichert. Jetzt galt es, sie endgültig abzuschrecken.
«Meine lieblichen Worte waren niemals an Euch adressiert», fuhr ich fort. «Und zum Beweis
Weitere Kostenlose Bücher