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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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werde ich Euch eine andere Version meines Gedichtes vortragen. Mal sehen, was diese Worte in Euch auslösen.»
     
    Soll ich dich einem Wintertag vergleichen?
    Er ist so grau und langweilig wie du,
    Dein kalter Glanz erinnert mich an Leichen
    Und dein Geruch an einen alten Schuh.
     
    Die Gräfin sah mich entsetzt an. Dies war zwar mitnichten ein perfektes Gedicht, doch es tat seine Wirkung. Und nur darauf kam es jetzt an. Rosa geriet ins Stocken, also soufflierte ich ihr die nächsten Zeilen:
     
    Nie konntest du mein Herz gewinnen,
    Nie gab es Schönheit, die dir eigen war,
    Denn alle Schönheit kommt von innen,
     
    Shakespeares Zeilen funktionierten. In den Augen der Gräfin war Verachtung zu sehen. Doch William hielt inne, er fand aus dem Stegreif nichts, das sich auf reimte. Also übernahm ich wieder das Texten:
     
    Darum bist du für mich so unsichtbar.
     
    Die Gräfin hatte genug. Das war ihr deutlich anzusehen. Also setzte ich zum finalen Schlussreim an:
     
    Solange Menschen atmen, Tage gehn,
    Will ich lieber vergehn, als dich zu sehn.
     
    Jetzt war es so weit: Die Gräfin wandte sich angewidert von mir ab und trat an die Reling. Statt mir zu danken, starrte der Earl mich nun ebenfalls finster an, weil ich soeben seine Angebetete beleidigt hatte. Jetzt musste ich noch etwas tun, damit die Gräfin Essex wahrnehmen würde. Doch was sollte das sein? Da kam mir, beim Blick aufs Wasser, plötzlich eine Idee. Ich dachte zurück an meine erste Begegnung mit Jan, als ich ihn vor dem Ertrinken gerettet hatte. So trat ich zu der Gräfin, und mit all der mir zur Verfügung stehenden Kraft packte ich sie und schubste sie über die Reling kopfüber in die Themse.
    Maria schrie wie am Spieß und platschte spektakulär ins Wasser. Wie erwartet waren solche Kleider nicht eben badetauglich: Die Gräfin ging schneller unter, als man «Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker» sagen konnte.
    Als Essex erschrocken über die Reling blickte, sah er nur noch Luftblasen. Kurz entschlossen schnallte er sein Schwert ab und sprang der Gräfin hinterher. Er tauchte ins Wasser, holte Maria zurück an die Oberfläche und brachte sie ans Ufer. Nachdem sie dort mit dem Prusten und Japsen fertig war, sah sie ihn dankbar und verliebt an. Endlich hatte auch Maria geschnallt, dass Essex die Seele war, die für sie bestimmt war. Ich hatte die beiden nicht nur in meiner Zeit heiraten lassen, sondern sie auch hier in der Vergangenheit zueinander gebracht. Jetzt hatte ich meine Aufgaben an Bord des Schiffes erfüllt und konnte mich endlich meinen eigenen Angelegenheiten zuwenden: Ich musste Shakespeare meine Liebe gestehen.
    Vor Aufregung und Angst begannen meine Knie zu zittern. Ich sah die Flasche Whiskey, aus der Essex getrunken hatte, neben mir liegen und schnappte sie mir, um etwas zu tun, was schon unzählige Verliebte vor mir getan hatten: sich Mut ansaufen. Mit der Buddel in der Hand stand ich auf, ging zu der anderen Seite des Schiffes, blickte über die Themse und betrachtete die vorbeifahrenden Ruderboote. Diese waren mit wunderschönen Blumen geschmückt, und Artisten führten auf ihnen zur Belustigung der Festgäste akrobatische Kunststücke auf. So schleuderte ein Jongleur mit flammenden Keulen, und das adelige Publikum amüsierte sich prächtig, als er sich aus Versehen die Nase ansengte.
    Ich nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. Der Whiskey brannte in meiner Kehle, und ich dachte mir: Wenn jemand davon die ganze Flasche austrinken sollte, würden seine zukünftigen Kinder gewiss Legastheniker werden. Aber das Gesöff tat mir gut, es wärmte viel besser als der Ramazzotti, den ich in meinem früheren Leben trank.
    Ja, richtig, jetzt bezeichnete ich schon mein Leben vor meiner Begegnung mit William als ein .
     
    Es war betrüblich, dass ich nicht den Alkohol spüren konnte. Sich Mut anzutrinken, wäre sicherlich hilfreich gewesen, um gegenüber Rosa die richtigen Worte der Liebe zu finden.
     
    Eins der Blumenboote scherte aus der Formation aus und näherte sich langsam und von den Gästen und Wachmännern unbemerkt dem Heck des Admiralsschiffes. Auf dem Boot standen drei Männer. Sie trugen Papageienkostüme, die so bunt waren, dass sie selbst Thomas Gottschalk zu psychedelisch gewesen wären. Auch sie hatten brennende Fackeln dabei, aber sie jonglierten nicht mit ihnen. Dafür schubsten sie die Blumengebinde von ihrem Boot ins Wasser. Warum taten sie das? Auf die Antwort musste

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