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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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das Armada-Schiff zu gehen. Wir betraten gemeinsam das prachtvolle Segelschiff, und ich fühlte mich ein klein wenig wie in einem Piratenfilm: Ich sah Kanonen, die unter Deck aus Schießscharten lugten, ein hölzernes Steuerrad und die Trapeznetze der Takelage, auf denen man zu den Masten oder zu dem Ausguck hinaufklettern konnte. Wie viele Menschen waren wohl beim Klettern von dort schon heruntergefallen? Wie oft wurde wohl vom Ausguck aus «Land in Sicht» gerufen oder «Oh, sorry, ich wollte die Flasche nicht auf deinen Kopf plumpsen lassen»?
    Auf dem Hauptdeck stimmten Musiker sich mit ihren Schalmeien, Posaunen und Harfen darauf ein, bald zum Tanz aufzuspielen. Adelige Hofdamen in weiten seidenen Kleidern blickten vorsichtig auf Edelmänner in Ausgehuniformen und mit schmucken Säbeln. Und die Edelmänner taxierten die Hofdamen ebenso, wie sie selbst taxiert wurden. Dieses Fest war wie jede andere Party auch, ein guter Ort fürs Suchen und Finden der Liebe. Oder des schnellen Gelegenheitssex.
    Walsingham ging in die Kapitänskajüte, in der die Queen sich auf das Fest vorbereitete. «Glauben Sie, dass Walsingham Erfolg haben wird, die Königin liebt doch Essex?», fragte ich Shakespeare und war froh, dass ich damit von meinem beschämenden Wunsch, für immer bei ihm zu bleiben, ablenken konnte.
    «Die Queen ist eine Frau, die sich stets für das Machbare entscheidet. Und das Machbare ist nun mal Walsingham», erwiderte ich und spürte genau, dass Rosa nicht mehr über ihren für mich so verlockenden Wunsch reden wollte.
    «So eine Beziehung hätte dann aber mit Liebe nichts zu tun», wandte ich vehement ein.
    «0 doch... Walsingham liebt sie. Und die Königin wird es lieben, nicht mehr einsam zu sein.»
    Wie aufs Stichwort trat die Queen in einem strahlend goldenen Kleid mit einer noch strahlenderen Krone auf dem Haupte aus der Admiralskajüte heraus. Aber am strahlendsten war der Mann an ihrer Seite: Walsingham. Auch das hatte ich nun also über die Liebe gelernt: Manchmal konnte sie unglaublich pragmatisch sein. «Die beiden sehen glücklich aus», stellte ich fest.
    «Gewiss hat das Sonett die beiden Alten zum hurtigen Geschlechtsakt animiert.»
    «Vielen Dank für ein weiteres verstörendes Bild in meinem Kopf», erwiderte ich und ergänzte: «Ich glaube nicht, dass die beiden es miteinander getan haben. Bis die Queen so ein Kleid ausgezogen hat, dauert es doch Jahre.»
    «Es gibt bei einigen dieser Kleider einen Hintereingang...»
    «Das will ich gar nicht so genau wissen!», rief ich so laut aus, dass mich einige der Hofdamen irritiert ansahen. In diesem Augenblick klatschte die Queen in die Hände, und die Musiker spielten zum Tanz. Die Edelmänner forderten zu fröhlichen Klängen die Edeldamen auf. Der muntere Reigentanz begann, und die Queen tanzte mit Walsingham so grazil dazu, wie es einer Frau in ihrem Alter nur möglich war. Ich jedoch fragte mich, wo sich Essex befand. Und wo die Gräfin Maria? Statt der beiden füreinander bestimmten Seelen trat Drake auf mich zu. Er trug eine festliche rote Uniform mit goldenen Verzierungen und erklärte finster: «Dichter, ich will, dass du so schnell wie möglich mein Schiff verlässt.»
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er wieder von mir weg und forderte seine Frau zum Tanz auf. Diese warf mir einen -Blick zu. Das ließ nur einen Schluss zu: Garantiert hatte Shakespeare mit ihr etwas gehabt.
    Es war mir irgendwie peinlich, dass Rosa nun von meinem Techtelmechtel mit Drakes Frau erfuhr. Daher musste sie unbedingt von mir erfahren, wie wenig mir dieses Weib bedeutete: «Es gibt Faultiere, die sind leidenschaftlicher als dieses Weib.»
    «Das interessiert mich nicht», raunzte ich ihn an. Das kam etwas zu impulsiv heraus. Aber ich mochte einfach nicht mehr hören, mit welchen Frauen er so alles in den Laken gelegen hatte. Da mich nun schon wieder ein paar dieser Adeligen wegen meiner Selbstgespräche anstarrten, stapfte ich von der Tanzfläche weg in Richtung Heck.
    «Jetzt bist du wahrlich eifersüchtig», stellte ich fest.
    Ich schwieg. Sauer. Und dass ich sauer war, bedeutete, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
     
    Es gab keinerlei Zweifel mehr: Rosa hegte wahrlich Gefühle für mich. Welch ein Wunder. Nie hatte ich geglaubt, dass ich für eine Frau liebenswert sein konnte, die so viel von mir wusste, die all meine Verfehlungen und all meine Schwächen kannte.
    Ja, ich war

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