Ploetzlich Vater
*
Zu viert brauchten sie eine Stunde, bis sie seine neue Wohnung mit einem Doppelbett, einer Kommode, einem Sofa, einem Beistelltisch und einem Vierzigzollflachbildfernseher bestückt hatten. Ein Kühlschrank, eine Waschmaschine und ein Trockner gehörten zur Ausstattung der Wohnung. Derrick öffnete den Kühlschrank und reichte seinen Brüdern drei gekühlte Dosen Eistee.
„Was ist denn das?“, beschwerte sich Cliff. „Gibt’s kein Bier?“
„Vielleicht beim nächsten Mal“, antwortete Derrick und öffnete seine Dose.
„Er versucht, ein gutes Vorbild zu sein, solange er hier wohnt“, erinnerte Brad seinen Zwillingsbruder.
„Du brauchst ein paar Bilder für die Wände. Ich habe ein altes Pamela-Anderson-Poster, das du über den Fernseher hängen kannst. Aber ich will es wiederhaben, wenn du ausziehst.“
Derrick ignorierte sie und ging in sein neues Schlafzimmer, in dem das Bett und die Kommode standen und – noch wichtiger – die Tasche, in der er seine Schmerztabletten verstaut hatte. Er nahm nur sehr ungern Schmerztabletten. Tatsächlich versuchte er sie zu vermeiden, so gut es ging. Aber nachdem er eine Couch und einen Tisch geschleppt und viel zu viele Treppenstufen hinter sich gebracht hatte, fühlte sich sein rechtes Knie an, als stünde es in Flammen. Erst letzte Woche hatte ihm sein Arzt angeboten, ihm Steroide zu spritzen, um die Schmerzen zu lindern, doch Derrick war der Meinung, er sollte sich die Injektionen für jemanden sparen, der es wirklich nötig hatte. Er hatte während seiner Footballkarriere schon deutlich Schlimmeres ausgestanden, ein paar läppische Knieschmerzen würden ihn schon nicht aus dem Spiel werfen. Football war sein Leben. Der Sport hatte ihm sein schönes Haus finanziert, die Hypothek seiner Eltern abbezahlt und würde Jake ohne dessen Wissen das College ermöglichen. Nein, er würde sich nicht von ein paar Schmerztabletten alles ruinieren lassen, wofür er so hart gearbeitet hatte.
„Tut es wieder weh?“
Derrick schluckte die Tablette und trank von seinem Eistee, bevor er sich zu seinem Bruder Connor umdrehte, der ihn gegen den Türrahmen gelehnt beobachtete.
„Mir geht’s gut“, antwortete Derrick und musterte seinen älteren Bruder eingehend. Er war überrascht, ihn zu sehen, denn er ließ sich in letzter Zeit kaum noch blicken. Wenn er auftauchte, dann meistens in seiner Arbeitskluft, einem OP-Kittel und einem weißen Labormantel, da er als Arzt unglaublich lange Schichten hatte. Connor war der attraktivste der Brüder, und Derrick und seine Geschwister zogen ihn gerne damit auf, dass er so gut aussah. Heute trug Connor einen perfekt sitzenden, dunklen Anzug mit einer blauen Seidenkrawatte.
„Schön, dass du vorbeigekommen bist“, begrüßte Derrick ihn. „Hast du heute ein heißes Date?“
Connor antwortete mit einem angedeuteten schiefen Lächeln. „Nein, ich habe kein Date. Ich war auf einer Konferenz ganz hier in der Nähe. Mom hat gesagt, du könntest Hilfe beim Umzug gebrauchen, doch wie es aussieht, bin ich zu spät.“
„Trotzdem danke. Wie geht es dir?“
„Mir geht’s gut“, sagte Connor. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Reisetasche. „Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, um von diesen Pillen loszukommen.“
„Danke für das Angebot“, erwiderte Derrick, „aber es ist alles in Ordnung. Dem Knie geht es schon wieder viel besser. Ich bin so gut wie neu, ehe du auch nur ‚Vorsaison‘ sagen kannst.“ Er machte sich nicht die Mühe, seinem Bruder zu erklären, dass er dieselbe Tablettenpackung schon so lange hatte, dass sie bald ihr Verfallsdatum erreicht hatte. Er wusste, dass sein Bruder der Meinung war, dass jeder, der etwas Stärkeres als Aspirin nahm, ein Drogenproblem hatte. Vor zwei Jahren hatte Connor seine Frau durch eine Überdosis verloren, und seitdem war er nicht mehr der Alte. Derrick hielt es nicht für nötig, die Sache mit den Tabletten klarzustellen. Wozu auch? Stattdessen schob er seinen Bruder aus dem Zimmer und durch den kleinen Flur ins Wohnzimmer.
„Jetzt bist du also in eine Wohnung gezogen, die so groß wie das Schlafzimmer in deinem Haus in Malibu ist“, stellte Connor fest. „Was kommt als Nächstes?“
„Jetzt lebe ich von einem Tag zum nächsten und hoffe auf das Beste.“
„Tuck mal, Mami, da ist Hollywood!“
Niemand hatte daran gedacht, die Haustür zu schließen. Derrick lachte, als ein kleiner Wuschelkopf in seiner Wohnung auftauchte. „Hallo Lexi, was machst du
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